Tariq Ramadan: "Es gibt kein islamisches System, nur islamische Prinzipien"

Im Gespräch mit Claudia Mende wendet sich der muslimische Gelehrte und Reformdenker Tariq Ramadan gegen autoritäre Herrschaftsstrukturen im Islam und wirbt für ein modernes Glaubensverständnis auf der Grundlage einer Trennung von Staat und Kirche.
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Die Scharia ist für mich mehr, als das, was die fuqaha, d.h. die islamischen Rechtsgelehrten und Juristen nur als islamisches Gesetz definiert haben. Die Scharia weist den Weg zur Glaubwürdigkeit ("faithfulness"). Wir müssen die Gesetze im Lichte dieses Weges sehen. Die Scharia gibt die Vision vor, nach der wir streben wollen. Wenn beispielsweise ein deutsches Gesetz regelt, dass Männer und Frauen vor dem Gesetz gleich sind oder gleichen Lohn für gleiche Arbeit beziehen sollen, dann ist das ist das insofern Scharia für mich, da ich diese Gleichheit vor dem Gesetz will. Daher habe ich ein Problem mit jenen Gelehrten, die den Koran wortwörtlich verstehen und meinen, die Scharia und das säkulare Rechtssystem seien zwei gegensätzliche Systeme. Ich finde das vollkommen falsch.
Die religiöse Gewalt darf den Menschen nichts auferlegen, was sie mit ihrem eigenen Gewissen ausmachen.
Buch-Cover 'Radikale Reform' (Diederichs Verlag)
In "Radikale Reformen" plädiert der Islamwissenschaftler für einen modernen Umgang mit dem Islam

Islam, Natur und Nachhaltigkeit

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Seit einigen Jahren gibt es einen global geführten Umweltdiskurs, der ökologische Themen mit einer islamischen Ethik verbindet. Doch inwiefern kann man aus dem Islam Handlungsanweisungen für ökologische Nachhaltigkeit ableiten?
Die Umweltprobleme, die wir kennen, resultieren aus der Industrialisierung und dem Kapitalismus und sind damit relativ jung. Die islamischen Quellen dagegen sind vor mehr als tausend Jahren in einem völlig anderen Kontext entstanden. Daher kann man sich nur auf Vorstellungen über die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt stützen, die allgemeiner Art sind.
In diesen Zusammenhang gehören Begriffe wie fitra - die Schöpfung - als ursprüngliche natürliche Ordnung; tawhid - die Einheit der Schöpfung, wonach alle Dinge der Welt miteinander in Beziehung stehen und, weil sie alle gleichermaßen Zeichen Gottes sind, alle gleich bedeutsam, wertvoll und bewahrenswert sind; mizan, die Balance, also der Zustand einer wohl geregelten Schöpfung, den es zu erhalten bzw. wiederherzustellen gilt.
Khilafa schließlich bezieht sich auf die Rolle des Menschen als Sachwalter der Schöpfung. Der Mensch habe die Aufgabe, die Ordnung der Schöpfung zu erhalten.

Choosing not to have sex

Who says you have to have sex?!
Choosing not to is your right! You can choose not to just for today or just for this month. You can choose to wait as long as you’d like to! It’s your decision. Choosing not to have sex doesn’t mean you won’t ever have sex. And when you do you’ll need information about contraception and condoms.
The Politics of Abstinence
Unfortunately, some far-right conservatives believe you should ONLY learn about the “abstinence-until-marriage” approach to sexuality. They believe students should be taught abstinence-until-marriage programs, which censor information about contraception and condoms; make moral judgments students may not share; stigmatize and shame students who have already had sex
These extremists are willing to sacrifice the health and rights of our generation. Choosing not to have sex is one excellent option. But it should be an informed, positive choice. We all have the right to all the information we need to make decisions about sex.

Bonhoeffer - jenseits der Erbaulichkeit

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Bonhoeffer folgte dem Philosophen Kant, als er provozierend feststellt: "Einen Gott, den 'es gibt', gibt es nicht!" Denn über alles, was "es gibt", könne der Mensch verfügen – und sei es nur in Gedanken; Gott aber sei nicht verfügbar.

Wenn wir über ihn nachdenken, kommt irgendetwas Menschliches dabei heraus, aber nichts Göttliches. Wir können über Gott nur etwas wissen, wenn er sich uns in einer Sprache offenbart, die wir verstehen können.

Kant unterschied zwischen Wissen und Glauben. Es gehe darum, was wir glauben dürften, auch ohne es beweisen zu können, und Bonhoeffer gibt ihm darin Recht.

Aber anders als Kant sagt er, das Gott sich finden lasse, denn er habe sich in Christus und den Worten der Bibel offenbart. Und zwar als ein Gott, der etwas fordert. Das ist ein erster entscheidender Beitrag des jungen Theologen zu der theologischen Debatte seiner Zeit.

Die Verbindung von Gotteserkenntnis und Weltwirklichkeit verleiht Bonhoeffers Theologie von Anfang an eine politische Stoßrichtung.

So schreibt er wenige Wochen, nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, den Aufsatz "Die Kirche vor der Judenfrage", weil er erkannt hat, dass sich an dieser Frage entscheiden wird, ob Deutschland eine zivilisierte Nation bleiben oder der Barbarei verfallen wird.
Darin fordert er dreierlei:
Erstens müsse die Kirche den Staat fragen, ob das, was er tut, legitim sei.
Zweitens sei die Kirche den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehörten.
Und drittens soll die Kirche, wenn sie erkennt, dass der Staat Unrecht tut, nicht nur die Opfer unter dem Rad verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen fallen.
Das wäre politischer Widerstand, und über den müsste ein evangelisches Konzil entscheiden.

Auf der Bedingung, dass hier nicht einzelne das Heft in die Hand nehmen solle, sondern dass die Kirche verpflichtet sei, das Gebot Gottes für die jeweilige Zeit zu erkennen und zu verkündigen, hat er lange bestanden.
Unermüdlich hat er die evangelische Kirche aufgefordert, ihre Angst vor dem Staat zu vergessen und politisch zu handeln. "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen", auch das ist ein biblisches Gebot.

Orientalistin Claudia Ott: "Die Liebe ist die Muttersprache des Orients"

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Die Übersetzerin und Orientalistin Claudia Ott: "Nirgends wurde und wird so viel und so schön über die Liebe gedichtet wie im Orient."
Es war mir schon lange ein Anliegen, die Schönheit der im Orient so wichtigen Gedichte einmal in den Mittelpunkt einer Publikation zu stellen, zumal im Bereich der Liebesdichtung, die ja in allen Kulturen eines der Hauptthemen von Dichtung darstellt. Im Orient aber ganz besonders! Man könnte fast sagen: Die Sprache der Liebe ist die Muttersprache des Orients.
Der "Orient" ist für die deutsche Leserschaft noch immer eine Art Projektionsfläche für Sehnsüchte, exotische Phantasien, aber auch bedrohliche Stereotypen und Bilder.
Was die Literatur, speziell die Dichtung, und noch spezieller die Liebesdichtung betrifft: Seit Goethes "Westöstlichem Diwan" blicken deutsche Dichterinnen und Dichter, Leserinnen und Leser beim Thema Liebe in Richtung Orient, und dieser Blick ist auch gerechtfertigt, wie die neue Auswahl "Gold auf Lapislazuli" hoffentlich zeigen wird
Buch-Cover 'Gold auf Lapislazuli' (C.H. Beck)
Buch-Cover 'Tausendundeine Nacht' (C.H. Beck)
Claudia Ott, Dr. phil., studierte Orientalistik in Jerusalem, Tübingen und Berlin sowie arabische Musik in Kairo. Sie hat mehrere Jahre in arabischen Ländern gelebt und arbeitet als Übersetzerin, Musikerin und Dozentin an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Die arabische Sprache kennt mehr als hundert Wörter für Liebe, sagt die Orientalistin Claudia Ott. Wir glauben es gern: Die hundert Liebesgedichte des Orients, die sie in einem schönen Band versammelt, geben eine Ahnung von der Fülle der orientalischen Liebesthematik. Der Perser Hafis fasst das in einen Vierzeiler, den Klabund übersetzt hat: "In welcher Sprache ich auch schriebe, / Persisch und türkisch gilt mir gleich. / Ein Himmel wölbt sich über jedem Reich, / Und Liebe reimt sich überall auf Liebe." Dieser eine Himmel trägt Sterne auf dunkelblauem Grund, also "Gold auf Lapislazuli", wie es der 1024 gestorbene Abdarrahman aus Córdoba formuliert. Die poetische Skala der Anthologie reicht über drei Jahrtausende und über verschiedene Kulturen und Sprachen. Sie führt von Babylon und Ägypten über das islamische Mittelalter in die Neuzeit. Neben Passagen aus dem hebräischen Hohenlied stehen moderne christlich-arabische Texte. Eingeschmuggelt sind einige "krypto-orientalische Halbedelsteine", nämlich Gedichte von Goethe und Heine. Dass die erotischen Pretiosen inzwischen einer neusachlichen Moderne Platz machen, beweist Iman Minal, ein Ägypter vom Jahrgang 1966. Er verbindet die Erotik mit seiner Verehrung für Marx: "Wenn ich vor einem hell erleuchteten Schaufenster stehe, / in dem die Damenunterwäsche blüht, / muss ich immer an Marx denken."

Liebe mal hundert - Belletristik - Feuilleton - FAZ.NET
Klang und Rhythmus

"Hör auf der Flöte Rohr, wie es erzählt
und wie es klagt, vom Trennungsschmerz gequält!
'Seit man mich aus der Heimat Röhricht schnitt,
weint alle Welt bei meinen Tönen mit!'"

Dies ist ein Ausschnitt aus dem "Lied der Rohrflöte", einem Gedicht des persischen Mystikers Rumi aus dem 13. Jahrhundert. Ott legt in ihren eigenen Nachdichtungen großen Wert auf Klang und Rhythmus, sie möchte die Melodie der Urfassung nachempfinden. Auf Deutsch klingt ein Gedicht, es ist eines der bekanntesten arabischen Liebesgedichte aus dem 10. Jahrhundert, so:

"Ach, wärest du süß, auch wenn das Leben mir bitter ist,
Und wenn alle zürnen, ach, wärst du nur zufrieden!
Ach, blühte, was zwischen mir und dir ist! Und das, was zwischen
Mir und der Welt ist, läg in Trümmern hienieden.
Wenn du endlich unserer Verbindung dein Jawort gibst,
Wird alles auf Erden leicht wie Staub, und wird Frieden."

[...]

"Gold auf Lapislazuli" ist eine Metapher [...]. Es kommt aus einem andalusischen Gedicht. Da heißt es zum Schluss, nachdem die beiden Liebenden sich vereinigt haben: "Sterne standen dort am Himmel, Gold auf Lapislazuli".

NDR Kultur - Feuilleton - Neue Bücher- Gold auf Lapislazuli