Kermani-Affäre: Die Revanche der Funktionäre

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Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani; Foto: dpa
Die respektlose und unhöfliche Ausladung Navid Kermanis war die Revanche der Funktionäre am Intellekt, das Veto der bürokratischen Verwaltung eines christlichen Erbes auf einem religiösen Ideenmarkt
Zum Problem werden Funktionäre, wo sie sich als Geschäftsführer des Geistes aufspielen und Organisationsmacht in Kontrolle und Zensur ausartet.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann; Foto: DW
Lehmanns Intrige signalisiert, wo der vermachtete interreligiöse Dialog aufhören soll, wo die Bonhomie eines liberalen Kardinals in die Machthaberei des Kirchenfunktionärs umschlägt, und sie belegt, was Kermani und andere am institutionalisierten "Trialog der Kinder Abrahams" zu Recht kritisiert haben: Dass er mehr verschweigt als zur Debatte stellt.
Der Funktionärsdialog, zu dem sich vorwiegend Kirchen- und Vereinsvertreter auf halbstaatlichen Veranstaltungen einfinden, wird abgesagt, sobald der Austausch verspricht, spannend und riskant zu werden.
Kermanis inkriminierte Kreuzesbetrachtung hat diese Kriterien mustergültig erfüllt. Man las den Artikel mit angehaltenem Atem, bei zweitem Lesen erschloss sich seine ganze intellektuelle Wucht, danach verteilte man ihn an Studierende der Theologie und aller anderen Fakultäten.
Und das nicht, weil Kermani die Facultas einer katholischen Universität besitzt oder er "Orientalist" oder "Islam-Experte" ist, sondern weil er sich gottesgläubig und intellektuell in einer Weise mit Religion befasst, die man hier zu Lande selten findet.
Das Kultur- und Kirchenestablishment mag keine Außenseiter und Neulinge.
Das gilt auch für das Triumvirat der islamischen Dachverbände, die sich bestens germanisiert haben: Intellektuelle sind ihnen suspekt, ihr Tonfall ist überwiegend Larmoyanz. Die Verkirchlichung und Verstaatlichung des Islam hat somit Fortschritte gemacht, und sie bezieht ironischerweise selbst die Kritiker des politischen Islam ein, wenn sie behaupten: "Der Islam ist nicht integrierbar!" Eben diese Anmaßung, zu wissen, was die "wahre Religion" ist, kennt man von Fundamentalisten aller Couleur.
Der interreligiöse Dialog ist nur von Kardinal Lehmann, Kirchenpräsident i.R. Steinacker und Ministerpräsident Koch dispensiert worden. Wir können ihn erleichtert weiterführen [...]. Dieser Dialog bezieht Agnostiker und Häretiker selbstverständlich ein.

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