♫ Marionettentheater und Paradies

»„Missgriffe […] sind unvermeidlich, seitdem wir von dem Baum der Erkenntnis gegessen haben. Doch das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist.“
Ich lachte. – Allerdings, dachte ich, kann der Geist nicht irren, da, wo keiner vorhanden ist.
[…]
„Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müssten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen?“
„Allerdings“, antwortete er; „das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.“«

Aus: Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater (1810)

 

Gliederpuppe
Bildquelle: kunstlinks.de

Tschaikowski_-_Nussknacker-Suite_-_3_Zuckerfee_-_Neue_Kölner_Philharmonie_Volker_Hartung.mp3 Listen on Posterous
P. I. Tschaikowski: Nussknacker-Suite - Danse de la Fée Dragée. Junge Philharmonie Köln, Volker Hartung

♫ Lied der Flüchtlinge


Eisbrenner/Käutner: Lied der Flüchtlinge. Hans Albers (1947)

Wir ziehen auf endlosen Straßen
durch Tage und Nächte dahin.
Von Gott und den Menschen verlassen,
ganz ohne Ziel, ohne Sinn.
Wir wandern auf endlosen Wegen,
getrieben, verfolgt vom Geschick.
Der trostlosen Zukunft entgegen -
wann finden wir zurück?
Nur ein Dach überm Kopf und das tägliche Brot
und Arbeit für unsere Hände,
dann kämpfen wir gern gegen Unglück und Not
und zwingen das Schicksal zur Wende.
Die Welt soll wieder schön
in Freiheit und Frieden ersteh’n.
Wir haben zwar alles verloren,
doch woll’n wir den Schmerz übersteh’n.
Wir haben verzweifelt geschworen:
Wir wollen nicht untergeh’n.
Wir lassen die Hoffnung nicht sinken,
wir glauben trotz Tränen und Leid,
Dass uns bessere Tage winken
in einer neuen Zeit.

Parhelia

Parhelia
Quelle: web.de

23_Winterreise,_D.911_-_23._Die_Nebe.mp3 Listen on Posterous
Franz Schubert: Winterreise, D 911 - 23. Die Nebensonnen.
Peter Anders (Tenor), Michael Raucheisen (Klavier) (1945)

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Quelle: wikipedia.org

Mitt hjerte alltid vanker

Mitt hjerte alltid vanker, 2008 Ingebjørg Harman Bratland (2008)

Ingebjørg Harman Bratland

Arve Moen Bergset

Sissel Kyrkjebø

Mitt hjerte alltid vanker
I Jesu føderum,
Der samles mine tanker
Som i sin hovedsum,
Der er min lengsel hjemme,
Der har min tro sin skatt,
Jeg kan dig aldri glemme,
Velsignet Julenatt!

Den mørke Stall skal være
Mitt hjertes frydeslott,
Der kan jeg daglig lære,
Å glemme verdens spott.
Der kan med takk jeg finne,
Hvori min ros består,
Når Jesu krybbes minne
Mig rett til hjertet går.

Men under uten like,
Hvor kan jeg vel forstå,
At Gud av himmerike
I stallen ligge må!
At himlens fryd og ære,
Det levende Guds ord,
Skal så foraktet være
Påa denne arme Jord!

Hvi skulle herresale
Ei smykket for dig stå?
Du hadde å befale
Alt hvad du pekte på.
Hvi lot du dig ei svøpe
I lyset som et bånd,
Og jordens konger løpe
å kysse på din hånd?

Hvi lot du ei utspenne
En Himmel til ditt telt,
Og stjernefakler brenne,
O store himmelhelt?
Hvi lot du frem ei trede
En mektig englevakt,
Som dig i dyre klæde
Saa prektig burde lagt?

En spurv har dog sitt rede
Og sikre hvilebo,
En svale må ei bede
Om nattely og ro,
En løve vet sin hule
hvor den kan hvile få,
- Skal da min Gud sig skjule
I andres stall og strå?

Akk kom, jeg opp vil lukke
Mitt hjerte og mitt sinn
og full av lengsel sukke:
Kom Jesus, dog herinn!
Det er ei fremmed bolig,
Du har den selv jo kjøpt,
Så skal du blive trolig
Her i mitt hjerte svøpt.

Jeg gjerne palmegrene
Vil om din krybbe strø,
For dig, for dig alene
Jeg leve vil og dø.
Kom la min sjel dog finne
Sin rette gledes stund,
At du er født her inne
I hjertets dype grunn!

Volkslied aus Västergötland; Text: H. A. Brorson (1732)

Heinrich von Kleist († 21. November 1811): Das Käthchen von Heilbronn

Kaethchen_von_heilbronn

Zweiter Akt

Szene: Wald vor der Höhle des heimlichen Gerichts.

Erster Auftritt

Der Graf vom Strahl (tritt auf, mit verbundenen Augen, geführt von zwei Häschern, die ihm die Augen aufbinden, und alsdann in die Höhle zurückkehren – Er wirft sich auf den Boden nieder und weint). Nun will ich hier, wie ein Schäfer liegen und klagen. Die Sonne scheint noch rötlich durch die Stämme, auf welchen die Wipfel des Waldes ruhn; und wenn ich, nach einer kurzen Viertelstunde, sobald sie hinter den Hügel gesunken ist, aufsitze, und mich im Blachfelde, wo der Weg eben ist, ein wenig daran halte, so komme ich noch nach Schloß Wetterstrahl, ehe die Lichter darin erloschen sind. Ich will mir einbilden, meine Pferde dort unten, wo die Quelle rieselt, wären Schafe und Ziegen, die an dem Felsen kletterten, und an Gräsern und bittern Gesträuchen rissen; ein leichtes weißes linnenes Zeug bedeckte mich, mit roten Bändern zusammengebunden, und um mich her flatterte eine Schar muntrer Winde, um die Seufzer, die meiner, von Gram sehr gepreßten, Brust entquillen, gradaus zu der guten Götter Ohr empor zu tragen. Wirklich und wahrhaftig! Ich will meine Muttersprache durchblättern, und das ganze, reiche Kapitel, das diese Überschrift führt: Empfindung, dergestalt plündern, daß kein Reimschmied mehr, auf eine neue Art, soll sagen können: ich bin betrübt. Alles, was die Wehmut Rührendes hat, will ich aufbieten, Lust und in den Tod gehende Betrübnis sollen sich abwechseln, und meine Stimme, wie einen schönen Tänzer, durch alle Beugungen hindurch führen, die die Seele bezaubern; und wenn die Bäume nicht in der Tat bewegt werden, und ihren milden Tau, als ob es geregnet hätte, herabträufeln lassen, so sind sie von Holz, und alles, was uns die Dichter von ihnen sagen, ein bloßes liebliches Märchen. O du – – – wie nenn ich dich? Käthchen! Warum kann ich dich nicht mein nennen? Käthchen, Mädchen, Käthchen! Warum kann ich dich nicht mein nennen? Warum kann ich dich nicht aufheben, und in das duftende Himmelbett tragen, das mir die Mutter, daheim im Prunkgemach, aufgerichtet hat? Käthchen, Käthchen, Käthchen! Du, deren junge Seele, als sie heut nackt vor mir stand, von wollüstiger Schönheit gänzlich triefte, wie die mit Ölen gesalbte Braut eines Perserkönigs, wenn sie, auf alle Teppiche niederregnend, in sein Gemach geführt wird! Käthchen, Mädchen, Käthchen! Warum kann ich es nicht? Du Schönere, als ich singen kann, ich will eine eigene Kunst erfinden, und dich weinen. Alle Phiolen der Empfindung, himmlische und irdische, will ich eröffnen, und eine solche Mischung von Tränen, einen Erguß so eigentümlicher Art, so heilig zugleich und üppig, zusammenschütten, daß jeder Mensch gleich, an dessen Hals ich sie weine, sagen soll: sie fließen dem Käthchen von Heilbronn! – – – Ihr grauen, bärtigen Alten, was wollt ihr? Warum verlaßt ihr eure goldnen Rahmen, ihr Bilder meiner geharnischten Väter, die meinen Rüstsaal bevölkern, und tretet, in unruhiger Versammlung, hier um mich herum, eure ehrwürdigen Locken schüttelnd? Nein, nein, nein! Zum Weibe, wenn ich sie gleich liebe, begehr ich sie nicht; eurem stolzen Reigen will ich mich anschließen: das war beschloßne Sache, noch ehe ihr kamt. Dich aber, Winfried, der ihn führt, du Erster meines Namens, Göttlicher mit der Scheitel des Zeus, dich frag ich, ob die Mutter meines Geschlechts war, wie diese: von jeder frommen Tugend strahlender, makelloser an Leib und Seele, mit jedem Liebreiz geschmückter, als sie? O Winfried! Grauer Alter! Ich küsse dir die Hand, und danke dir, daß ich bin; doch hättest du sie an die stählerne Brust gedrückt, du hättest ein Geschlecht von Königen erzeugt, und Wetter vom Strahl hieße jedes Gebot auf Erden! Ich weiß, daß ich mich fassen und diese Wunde vernarben werde: denn welche Wunde vernarbte nicht der Mensch? Doch wenn ich jemals ein Weib finde, Käthchen, dir gleich: so will ich die Länder durchreisen, und die Sprachen der Welt lernen, und Gott preisen in jeder Zunge, die geredet wird. –

Braunes Laub, schmutzig, welk

Volker Pispers, WDR 2, 2011-11-22, über BN(P?)D-Geheimnisse 

Franz Josef Degenhardt, † 14. November 2011

Degenhardt

"Wo sind eure Lieder,
eure alten Lieder?"
fragen die aus anderen Ländern,
wenn man um Kamine sitzt,
mattgetanzt und leergesprochen,
und das high-life Spiel ausschwitzt.

Ja, wo sind die Lieder,
unsre alten Lieder?
Nicht für'n Heller oder Batzen
mag Feinsliebchen barfuß ziehn,
und kein schriller Schrei nach Norden
will aus meiner Kehle fliehn.

Tot sind unsre Lieder,
unsre alten Lieder.
Lehrer haben sie zerbissen,
Kurzbehoste sie verklampft,
braune Horden totgeschrien,
Stiefel in den Dreck gestampft.

--> Der anachronistische Zug, Oder Freiheit, die sie meinen by Franz Josef Degenhardt on Grooveshark

♫ Walther von der Vogelweide: Under der linden (Mädchenlied).

Kaulbach_-_tandaradei
Wilhelm von Kaulbach

Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ mugent ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.

Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
dâ wart ich enpfangen
hêre frouwe,
daz ich bin sælic iemer mê.
kuster mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.

Dô hete er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
bî den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.

Daz er bî mir læge,
wesse ez iemen
(nu enwelle got!), sô schamte ich mich.
wes er mit mir pflæge,
niemer niemen
bevinde daz, wan er unt ich,
und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.

Walther von der Vogelweide (1170-1230)

Estampie

November

November

Solchen Monat muss man loben:
Keiner kann wie dieser toben,
Keiner so verdrießlich sein
Und so ohne Sonnenschein,

Keiner so in Wolken maulen,
Keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist 'ne wahre Pracht.

Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
Wie sie tanzen in dem Wind
Und so ganz verloren sind!

Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
Und sie durcheinanderwirbelt
Und sie hetzt ohn' Unterlass:
Ja, das ist Novemberspaß!

Und die Scheiben, wie sie rinnen!
Und die Wolken, wie sie spinnen
Ihren feuchten Himmelstau
Ur und ewig, trüb und grau!

Auf dem Dach die Regentropfen:
Wie sie pochen, wie sie klopfen!
Schimmernd hängt's an jedem Zweig,
Einer dicken Träne gleich.

O, wie ist der Mann zu loben,
Der solch' unvernünft'ges Toben
Schon im Voraus hat bedacht
Und die Häuser hohl gemacht,

So dass wir im Trocknen hausen
Und mit stillvergnügtem Grausen
Und in wohlgeborgner Ruh
Solchem Gräuel schauen zu!

Heinrich Seidel, 1842-1906

95 Thesen des Theologen Dr. Martin Luther

95 Thesen des Theologen Dr. Martin Luther

Aus Liebe und rechtem Fleiß, die Wahrheit an den Tag zu bringen, wird unter dem Vorsitz des Ehrwürdigen Vaters Martin Luther, der freien Künste und heiligen Theologie Magister und derselbigen ordentlichen Lehrers, zu Wittenberg über folgende Sätze disputiert werden. Darum bittet er, daß diejenigen, so gegenwärtig sich mit uns davon nicht unterreden können, solches abwesend durch Schrift tun mögen. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi. Amen.

1.

Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße etc., will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine (stete) Buße sei.

2.

Und kann noch mag das Wort Buße nicht vom Sakrament der Buße, das ist, von der Beichte und Genugtuung, so durch der Priester Amt geübet wird, verstanden werden.

3.

Jedoch will er nicht allein verstanden haben die innerliche Buße; ja die innerliche Buße ist nichtig und keine Buße, wo sie nicht äußerlich allerlei Tötung des Fleisches wirket.

4.

Währet derhalben Reue und Leid, das ist wahre Buße, so lange einer Mißfallen an sich selber hat, nämlich bis zum Eintritt aus diesem in das ewige Leben.

5.

Der Papst will noch kann nicht irgend andere Strafe erlassen außer der, welche er nach seinem Gefallen oder laut der Canones, das ist der päpstlichen Satzungen, auferlegt hat.

6.

Der Papst kann keine Schuld vergeben als allein sofern, daß er erkläre und bestätige, was von Gott vergeben sei, oder aber, daß er es tue in den Fällen, die er sich vorbehalten hat, und wenn dies verachtet würde, so bliebe die Schuld ganz und gar unaufgehoben.

7.

Gott vergibt keinem die Schuld, den er nicht zugleich durchaus wohl gedemütigt dem Priester, seinem Statthalter, unterwerfe.

8.

Canones poenitentiales, das ist, die Satzungen, wie man beichten und büßen soll, sind allein den Lebendigen aufgelegt und sollen laut derselben Satzungen den jetzt Sterbenden nicht aufgelegt werden.

9.

Daher tut uns der heilige Geist wohl am Papst, daß der Papst allewege in seinen Dekreten ausnimmt den Artikel des Todes und die äußerste Not.

10.

Die Priester handeln unverständig und übel, die den sterbenden Menschen Poenitentias canonica, das ist auferlegte Buße ins Fegefeuer, daselbst denselben genug zu tun, sparen und behalten.

11.

Dieses Unkraut, daß man die Buße oder Genugtuung, so durch die Canones oder Satzungen auferlegt ist, in des Fegefeuers Buße oder Pein sollte verwandeln, ist gesäet worden, da die Bischöfe geschlafen haben.

12.

Vor Zeiten wurden Canonicae poenae, das ist auferlegte Buße oder Genugtuung für begangene Sünden nicht nach, sondern vor der Absolution auferlegt, dabei zu prüfen, ob Reue und Leid rechtschaffen wäre.

13.

Die Sterbenden tun durch ihren Tod oder Absterben für alles genug und sind dem Rechte der Canones oder Satzungen abgestorben und also billig von Auflegung derselben entbunden.

14.

Unvollkommene Frömmigkeit oder Liebe des Sterbenden bringt notwendig große Furcht mit sich; ja diese ist um so größer, je geringer jene ist.

15.

Diese Furcht und Schrecken, daß ich anderer Dinge schweige, genügt an sich selber, daß sie des Fegefeuers Pein anrichte, dieweil sie der Angst der Verzweiflung ganz nahe ist.

16.

Hölle, Fegefeuer und Himmel scheinen also von einander verschieden zu sein wie die rechte Verzweiflung, unvollkommene Verzweiflung und Sicherheit.

17.

Es scheint, als müsse im Fegefeuer, gleichwie die Angst an den Seelen abnimmt, also auch die Liebe an ihnen zunehmen.

18.

Es scheint unerwiesen zu sein, weder durch Gründe noch durch die Schrift, daß sie außer dem Stande des Verdienstes oder des Zunehmens an der Liebe seien.

19.

Es scheint auch dies unerwiesen zu sein, daß sie ihrer Seligkeit gewiß und unbekümmert seien, ob wir schon des ganz gewiß sind.

20.

Derhalben versteht der Papst unter der vollkommenen Vergebung aller Strafen nicht, daß insgeheim alle Strafe vergeben werden, sondern nur die, so er selbst aufgelegt hat.

21.

Daher irren die Ablaßprediger, die da sagen, daß durch des Papstes Ablaß der Mensch von aller Strafe los und selig werde.

22.

Ja, der Papst erläßt den Seelen im Fegefeuer keine Strafe, die sie hätten in diesem Leben laut der Canones büßen und bezahlen müssen.

23.

Wenn einem irgend eine Vergebung aller Strafe gegeben werden kann, so ist's gewiß, daß sie allein den Vollkommensten, das ist gar wenigen, gegeben werde.

24.

Darum muß der größte Teil unter den Leuten betrogen werden durch die prächtige Verheißung von der bezahlten Strafe, wobei gar kein Unterschied gemacht wird.

25.

Gleiche Gewalt, wie der Papst hat über das Fegefeuer insgemein, haben auch ein jeder Bischof und Seelsorger in seinem Bistum und seiner Pfarrei insbesondere.

26.

Der Papst tut sehr wohl daran, daß er nicht aus Gewalt des Schlüssels (den er nicht hat), sondern durch Hilfe und fürbittweise den Seelen Vergebung schenkt.

27.

Die predigen Menschentand, die da vorgeben, sobald der Groschen im Kasten klinge, führe die Seele von Stund an aus dem Fegefeuer.

28.

Das ist gewiß, sobald der Groschen im Kasten klingt, daß Gewinn und Geiz kommen, zunehmen und größer werden; die Hilfe aber und Fürbitte der Kirche steht allein in Gottes Willen und Wohlgefallen.

29.

Wer weiß auch, ob alle Seelen im Fegefeuer also wollen erlöst sein, wie es mit St. Severin und Paschalis soll zugegangen sein.

30.

Niemand ist des gewiß, daß er wahre Reue genug habe; viel weniger kann er gewiß sein, ob er vollkommene Vergebung der Sünden bekommen habe.

31.

Wie selten einer ist, der wahrhaftige Reue und Leid habe, so selten ist auch der, der wahrhaftig Ablaß löst, das ist, es ist gar selten einer zu finden.

32.

Die werden samt ihren Meistern in die ewige Verdammnis fahren, die da vermeinen, durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein.

33.

Vor denen soll man sich sehr wohl hüten und vorsehen, die da sagen, des Papstes Ablaß sei die höchste und werteste Gottesgnade und Geschenk, dadurch der Mensch mit Gott versöhnt wird.

34.

Denn die Ablaßgnade bezieht sich allein auf die Strafe der Genugtuung, welche von Menschen geordnet worden ist.

35.

Die lehren unchristlich, welche vorgeben, daß die, so da Seelen aus dem Fegefeuer oder Beichtbriefe lösen wollen, keiner Reue noch Leides bedürfen.

36.

Ein jeder Christ, der wahre Reue und Leid hat über seine Sünden, der hat völlige Vergebung von Strafe und Schuld, die ihm auch ohne Ablaßbrief gehört.

37.

Ein jeder wahrhaftige Christ, er sei lebendig oder schon gestorben, ist teilhaftig aller Güter Christi und der Kirche, aus Gottes Geschenk, auch ohne Ablaßbriefe.

38.

Doch ist des Papstes Vergebung und Austeilung mit nichten zu verachten; denn wie ich gesagt habe, ist seine Erklärung eine Erklärung göttlicher Vergebung.

39.

Es ist über die Maßen schwer, auch für die allgelehrtesten Theologen, zugleich den großen Reichtum des Ablasses und dagegen die wahre Reue und Leid vor dem Volke zu rühmen.

40.

Wahre Reue und Zerknirschung sucht und liebt die Strafe, aber die Mildigkeit des Ablasses entbindet der Strafe und macht, daß man sie haßt, wenigstens bei Gelegenheit.

41.

Vorsichtiglich soll man von dem päpstlichen Ablaß predigen, damit der gemeine Mann nicht fälschlich dafür halte, daß er den anderen Werken der Liebe vorgezogen oder besser geachtet werde.

42.

Man soll die Christen lehren, es sei mit nichten des Papstes Meinung, daß Ablaßlösen einem Werke der Barmherzigkeit irgendwie zu vergleichen sei.

43.

Man soll die Christen lehren, daß, wer den Armen gibt oder leiht dem Dürftigen, besser tue, als wenn er Ablaß löst.

44.

Denn durch das Werk der Liebe wächst die Liebe und der Mensch wird besser; durch den Ablaß aber wird er nicht besser, sondern nur sicherer und freier von Strafe.

45.

Man soll die Christen lehren, daß der, so seinen Nächsten darben sieht und dessen ungeachtet Ablaß löst, der löst nicht des Papstes Ablaß, sondern ladet auf sich Gottes Ungnade.

46.

Man soll die Christen lehren, daß sie, wo sie nicht übrig reich sind, schuldig sind, was zur Notdurft gehört, für ihr Haus zu behalten und mit nichten für Ablaß zu verschwenden.

47.

Man soll die Christen lehren, daß das Ablaßlösen ein frei Ding sei und nicht geboten.

48.

Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wie er eines andächtigen Gebetes für sich mehr bedarf, also desselben mehr begehre denn des Geldes, wenn er Ablaß austeilt.

49.

Man soll die Christen lehren, daß des Papstes Ablaß gut sei, sofern man sein Vertrauen nicht darauf setzt, dagegen aber nicht Schädlicheres, als wenn man dadurch Gottesfurcht verliert.

50.

Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wenn er wüßte der Ablaßprediger Schinderei, wollte er lieber, daß St. Peters Münster zu Pulver verbrannt würde, denn daß es mit Haut, Fleisch und Bein seiner Schafe erbaut werde.

51.

Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wie er schuld ist, also auch willig wäre, von seinem eigenen Gold - und sollte gleich St. Peters Münster dazu verkauft werden - den Leuten auszuteilen, denen zumeist etliche Ablaßprediger das Geld abdringen.

52.

Durch Ablaßbriefe vertrauen selig zu werden ist ein nichtig und erlogen Ding, wenn gleich der Commissarius oder der Ablaßvogt, ja der Papst selbst seine Seele wollte zu Pfande setzen.

53.

Das sind Feinde Christi und des Papstes, die von wegen der Ablaßpredigt das Wort Gottes in andern Kirchen zu predigen ganz und gar Schweigen verbieten.

54.

Es geschieht dem Worte Gottes unrecht, wenn man in Predigt eben so viel oder mehr Zeit aufwendet, den Ablaß zu verkündigen, als auf das Wort des Evangeliums.

55.

Des Papstes Meinung kann nicht anders sein, als, wenn man den Ablaß (was das Geringste ist) mit Einer Glocke, Einer Prozession und Ceremonien begeht so müsse man dagegen das Evangelium (was das Höchste ist) mit hundert Glocken, hundert Prozessionen und hundert Ceremonien feiern.

56.

Die Schätze der Kirche, davon der Papst den Ablaß austeilt, sind weder genugsam genannt noch bekannt bei der Gemeinde Christi.

57.

Denn daß es nicht leibliche, zeitliche Güter sind, ist daher offenbar, weil viele Prediger diese nicht so leichtlich hingeben, sondern vielmehr aufsammeln.

58.

Es sind auch nicht die Verdienste Christi und der Heiligen; denn diese wirken allezeit, ohne des Papstes Zutun, Gnade des innerlichen Menschen und Kreuz, Tod und Hölle des äußerlichen Menschen.

59.

St. Laurenzius hat die Armen der Gemeinde genannt die Schätze der Gemeinde oder Kirche, aber er hat das Wörtlein genommen, wie es zu seiner Zeit gebräuchlich war.

60.

Wir sagen aus gutem Grunde, ohne Vorwitz, daß dieser Schatz seien die Schlüssel der Kirche, durch das Verdienst Christi der Kirche geschenkt.

61.

Denn es ist klar, daß zur Vergebung der Strafe und vorbehaltener Fälle allein des Papstes Gewalt genug sei.

62.

Der rechte wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.

63.

Dieser Schatz ist aber billig der allerverhaßteste; denn er macht, daß die Ersten die Letzten werden.

64.

Aber der Ablaßschatz ist billig der allerangenehmste, denn er macht aus den Letzten die Ersten.

65.

Derhalben sind die Schätze des Evangelii Netze, mit denen man vor Zeiten die Leute des Mammons fischte.

66.

Die Schätze des Ablasses aber sind Netze, womit man in jetziger Zeit den Mammon der Leute fischet.

67.

Der Ablaß, den die Prediger für die größte Gnade ausrufen, ist freilich für große Gnade zu halten, insofern er großen Gewinn trägt.

68.

Und doch ist solcher Ablaß wahrhaftig die allergeringste Gnade, wenn man ihn mit der Gnade Gottes und des Kreuzes Gottseligkeit vergleicht.

69.

Es sind die Bischöfe und Seelsorger schuldig, die Commissarien des apostolischen Ablasses mit aller Ehrerbietung zuzulassen.

70.

Aber vielmehr sind die schuldig, mit Augen und Ohren aufzumerken, daß diese Commissarien nicht statt päpstlichen Befehls ihre eigenen Träume predigen.

71.

Wer wider die Wahrheit des apostolischen Ablasses redet, der sei Anathema und vermaledeit.

72.

Wer aber wider des Ablaßpredigers mutwillige und freche Worte Sorge trägt und sich bekümmert, der sei gebenedeit.

73.

Wie der Papst diejenigen billig mit Ungnade und Bann schlägt, die zu Nachteil des Ablaßgeschäfts irgendwie betrüglich handeln;

74.

So viel mehr trachtet er, diejenigen mit Ungnade und Bann zu schlagen, die unter dem Vorwand des Ablasses zum Nachteil der heiligen Liebe und Wahrheit handeln.

75.

Des Papstes Ablaß so hoch halten, daß er einen Menschen absolvieren oder von Sünden los machen könnte, wenn er gleich (unmöglicher Weise zu reden) die Mutter Gottes geschwächt hätte, ist rasend und unsinnig sein.

76.

Dagegen sagen wir, daß des Papstes Ablaß nicht die allergeringste tägliche Sünde hinwegnehmen könnte, so viel die Schuld derselben belangt.

77.

Daß man sagt, St. Peter, wenn er jetzt Papst wäre, vermöchte nicht größeren Ablaß zu geben, ist eine Lästerung wider St. Petrum und den Papst.

78.

Dawider sagen wir, daß auch dieser und ein jeder Papst größeren Ablaß hat, nämlich das Evangelium, Kräfte, Gaben, gesund zu machen u.s.w. 1. Korinther 12,6,9.

79.

Sagen, das Kreuz, mit des Papstes Wappen herrlich aufgerichtet, vermöge so viel als das Kreuz Christi, ist eine Gotteslästerung.

80.

Die Bischöfe, Seelsorger und Theologen, die da leiden, daß man solche Reden vors Volk bringen darf, werden dafür einst Rechenschaft geben müssen.

81.

Solche freche und unverschämte Predigt und Ruhm vom Ablaß macht, daß es selbst den Gelehrten schwer wird, des Papstes Ehre und Würde gegen die Verleumdung oder doch vor den scharfen listigen Fragen des gemeinen Mannes zu verteidigen.

82.

Als zum Beispiel: Warum entledigt der Papst nicht alle Seelen zugleich aus dem Fegefeuer um der allerheiligsten Liebe willen und von wegen der höchsten Not der Seelen, welches doch die allerwichtigste Ursache ist, während er unzählig viel Seelen erlöst um des elenden Geldes willen für St. Petrus Münster, welches doch die geringfügigste Ursache ist?

83.

Item: Warum bleiben die Begängnis- und Jahrzeit der Verstorbenen stehn, und warum gibt er nicht wieder oder vergönnt zurückzunehmen die Pfründen, die den Toten zu gut gestiftet sind, da es nunmehr doch unrecht ist, für die schon Erlösten zu beten?

84.

Item: Was ist das für eine neue Heiligkeit Gottes und des Papstes, daß sie den Gottlosen und dem Feind um des Geldes willen vergönnen, eine fromme und gottgetreue Seele zu erlösen, und wollen doch nicht vielmehr um der großen Not derselben gottesfürchtigen und geliebten Seele willen sie aus Liebe umsonst erlösen?

85.

Item: Warum werden die Satzungen von der Buße, die nun längst in ihnen selbst mit der Tat und durch ihren Nicht-Gebrauch abgetan und tot sind, noch mit Geld gelöst durch Vergönnung des Ablasses, als wären sie noch in Kraft und lebendig?

86.

Item: Warum baut jetzt der Papst nicht lieber St. Peters Münster von seinem eigenen Gelde als vor der armen Christen Gelde, weil doch sein Vermögen sich höher erstreckt, als des reichsten Crassus Güter?

87.

Item: Was erläßt oder teilt der Papst durch seinen Ablaß diesem mit, welche durch vollkommene Reue schon zu einer vollständigen Vergebung und Ablaß berechtigt sind?

88.

Item: Was könnte der Kirche Besseres widerfahren, als wenn der Papst, wie er's jetzt nur einmal tut, also hundertmal im Tage jedem Gläubigen diese Vergebung und Ablaß schenkte?

89.

Wenn der Papst der Seelen Seligkeit mehr durch Ablaß denn durchs Geld sucht, warum hebt er denn vormals gegebene Ablaßbriefe auf und erklärt sie außer Kraft, so sie doch gleich kräftig sind?

90.

Diese sehr spitzigen Fragen der Laien bloß mit Gewalt dämpfen und nicht durch angezeigten Grund und Ursach auflösen wollen, heißt die Kirche und den Papst den Feinden zum Spott und die Christen unselig machen.

91.

Darum, wenn der Ablaß nach des Papstes Sinn und Meinung gepredigt würde, wären diese Einreden leichtlich zu verantworten, ja sie wären nie vorgefallen.

92.

Mögen daher alle Propheten hinfahren, die da sagen zu der Gemeinde Christi: Friede, Friede! und ist doch kein Friede (Hes. 13,10,16.)

93.

Aber wohl alle den Propheten, die da sagen zu der Gemeinde Christi: Kreuz, Kreuz! und ist doch kein Kreuz.

94.

Man soll die Christen ermahnen, daß sie Christo, ihrem Haupte, durch Kreuz, Tor und Hölle nachzufolgen sich befleißigen.

95.

Und also mehr durch viel Trübsal als durch falschen Frieden ins Himmelreich einzugehen sich getrösten.

Allerheiligen Abend 1517

Stimmhorn - Alpine Musike gegen Herbstdepressionen ♫

Matthias Claudius: Kriegslied

's ist Krieg! 's ist Krieg!
O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
's ist leider Krieg –
und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

The "epicenter of Assisi"

The epicenter of Assisi

On October 18 the news agency Zenit announced the interreligious meeting in Assisi using an odd term:  “The Franciscan shrine of Assisi will become again, on October 27, the epicenter of the peace movement, following in the footsteps of John Paul II twenty-five years later.”  The word epicenter denotes the place on the earth’s surface directly above the focus or hypocenter of an earthquake, the place where the subterranean rupture originates.  And since the seismic waves travel the shortest distance to reach the epicenter, this is the spot where they have the most energy and cause the most significant damage.

Epicenter seems inappropriate, unless Zenit had intended an allusion to the earthquake that struck Assisi on September 26, 1997, during which the roof of the Basilica of St. Francis collapsed, killing four persons.

But is this term really inappropriate?  Isn’t the Assisi gathering designed and built right over a profound rupture with the traditional teaching of the Church?  Pius XI declared in Mortalium animos (1928) concerning interreligious meetings:  “Certainly such attempts can nowise be approved by Catho­lics, founded as they are on that false opinion which considers all religions to be more or less good and praiseworthy, since they all in different ways manifest and si­gnify that sense which is inborn in us all, and by which we are led to God and to the obedient acknowledgment of His rule.”  And Archbishop Marcel Lefebvre wrote to eight cardinals on August 27, 1986:  “The Church is shaken to its very foundations. If faith in the Church, the only ark of salvation, disappears, then the Church herself disappears. All of her strength, all of her supernatural activity is based on this article of our faith.”

Fr. Alain Lorans

Source: DICI Newsletter, 2011-10-28 (DICI is the communication agency of the Priestly Society of St. Pius X)

In-depth examination of the Second Vatican Council | DICI

1)    What is the true nature of Vatican II?

2)    What is the relation between its pastoral character (a notion that will have to be explained authoritatively) and its dogmatic character, if any?  Can the pastoral character be reconciled with the dogmatic character?  Does it assume the latter?  Does it contradict it?  Does it ignore it?

3)    Is it really possible to define the Second Vatican Council as ‘dogmatic’?  And therefore to refer to it as dogmatic?  To use it as the basis of new theological assertions?  In what sense?  Within what limits?

4)    Is Vatican II an “event” as the Bologna School understands it, in other words, one that cuts all ties with the past and inaugurates a new era in all respects?  Or does it relive in itself the whole past eodem sensu eademque sententia [in the same sense and with the same purpose]?

Raumfahrtschrott

Raumfahrt

Bedrohliche Altlasten im All

Sputnik 1 umkreist die Erde Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Der Start der Sputnik 1 ]
Seit Beginn der Raumfahrt mit dem sowjetischen Satelliten "Sputnik", der 1957 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühte, haben die Menschen das All in einen Schrottplatz verwandelt.

Der Abfall stammt überwiegend aus rund 180 Explosionen von Raketen und Satelliten. Neben ausgebrannten Raketenstufen rasen auch von Astronauten verlorene Handschuhe und Schraubendreher mit rund 28.000 Kilometer pro Stunde um die Erde.

Weltraumschrott kreist um die Erde (Foto: dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Weltraumschrott: Computersimulation der ESA ]

35 Millionen winzige Überreste

Inzwischen umkreisen schätzungsweise mehr als 110.000 menschengemachte Müllteile die Erde. Die meisten dieser Schrottteile sind nicht größer als Kieselsteine. Die amerikanische und russische Raumüberwachung beobachtet nur die Bahnen von etwa 10.000 Trümmerstücken ab einem Durchmesser von zehn Zentimetern, um Zusammenstöße mit noch funktionierenden Satelliten zu vermeiden. Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde NASA kreisen außerdem schätzungsweise rund 35 Millionen Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als einem Zentimeter durchs All.

Nahaufnahme der Parabolantenne (Foto: NASA) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Diese Parabolantenne des Hubble-Weltraumteleskops wurde von einem Schrottteil durchschlagen (siehe Vergrößerung). ]

"Mir"-Absturz im Pazifik, "Sputnik 4" in Wisconsin

Männer inspizieren das Schrottteil. (Foto: NASA) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Ein US-Nutzlastmodul landete 2001 in der saudiarabischen Wüste. ]
Dem US-Raumfahrtkommando zufolge sind in den letzten Jahrzehnten mehr als 17.000 Objekte auf der Erde eingeschlagen. Im Jahr 2002 traf ein Teil einer 1985 gestarteten Ariane-Rakete ein Haus in Uganda. Die 15 Jahre alte russische Raumstation "Mir" stürzte nach ihrer Aufgabe 2001 bei einem kontrollierten Absturz in den Pazifik vor Neuseeland.

Die ersten derartigen Zwischenfälle gab es 1962. Damals stürzten ein Bruchstück einer amerikanischen Atlas-Rakete auf eine Farm in Südafrika und ein Eisenteil des sowjetischen "Sputnik 4" auf eine Straßenkreuzung im US-Staat Wisconsin.

Stand: 23.03.2009 12:08 Uhr

Eurokrise

Heinrich Heine: Nachtgedanken

Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd' ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt -- wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich -- Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual;
Mir ist, als wälzten sich die Leichen,
Auf meine Brust -- Gottlob! Sie weichen!

Gottlob! Durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen
Und lächelt für die deutschen Sorgen.

Bundestagsrede von Benedikt XVI.: "Die Politik muss mehr moralische Verantwortung übernehmen"

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Foto: AFP Der Papst spricht vor dem Deutschen Bundestag

Herr Bundestagspräsident!

Frau Bundeskanzlerin!

Herr Bundesratspräsident!

Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Es ist mir Ehre und Freude, vor diesem Hohen Haus zu sprechen – vor dem Parlament meines deutschen Vaterlandes, das als demokratisch gewählte Volksvertretung hier zusammenkommt, um zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten. Dem Herrn Bundestagspräsidenten möchte ich für seine Einladung zu dieser Rede ebenso danken wie für die freundlichen Worte der Begrüßung und Wertschätzung, mit denen er mich empfangen hat.

In dieser Stunde wende ich mich an Sie, verehrte Damen und Herren – gewiss auch als Landsmann, der sich lebenslang seiner Herkunft verbunden weiß und die Geschicke der deutschen Heimat mit Anteilnahme verfolgt. Aber die Einladung zu dieser Rede gilt mir als Papst, als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt. Sie anerkennen damit die Rolle, die dem Heiligen Stuhl als Partner innerhalb der Völker- und Staatengemeinschaft zukommt. Von dieser meiner internationalen Verantwortung her möchte ich Ihnen einige Gedanken über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats vorlegen.

Lassen Sie mich meine Überlegungen über die Grundlagen des Rechts mit einer kleinen Geschichte aus der Heiligen Schrift beginnen. Im ersten Buch der Könige wird erzählt, dass Gott dem jungen König Salomon bei seiner Thronbesteigung eine Bitte freistellte. Was wird sich der junge Herrscher in diesem wichtigen Augenblick erbitten?

Erfolg – Reichtum – langes Leben – Vernichtung der Feinde? Nicht um diese Dinge bittet er. Er bittet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1 Kön 3,9). Die Bibel will uns mit dieser Erzählung sagen, worauf es für einen Politiker letztlich ankommen muss. Sein letzter Maßstab und der Grund für seine Arbeit als Politiker darf nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. Die Politik muss Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Friede schaffen. Natürlich wird ein Politiker den Erfolg suchen, ohne den er überhaupt nicht die Möglichkeit politischer Gestaltung hätte.

Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet. Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit. „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“, hat der heilige Augustinus einmal gesagt.1 Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind.

Wir haben erlebt, dass Macht von Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat und dass der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde – zu einer sehr gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des Abgrunds treiben konnte. Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers. In einer historischen Stunde, in der dem Menschen Macht zugefallen ist, die bisher nicht vorstellbar war, wird diese Aufgabe besonders dringlich. Der Mensch kann die Welt zerstören. Er kann sich selbst manipulieren.

Er kann sozusagen Menschen machen und Menschen vom Menschsein ausschließen. Wie erkennen wir, was recht ist? Wie können wir zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und Scheinrecht unterscheiden? Die salomonische Bitte bleibt die entscheidende Frage, vor der der Politiker und die Politik auch heute stehen. In einem Großteil der rechtlich zu regelnden Materien kann die Mehrheit ein genügendes Kriterium sein.

Aber dass in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muss sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen.

Im 3. Jahrhundert hat der große Theologe Origenes den Widerstand der Christen gegen bestimmte geltende Rechtsordnungen so begründet: „Wenn jemand sich bei den Skythen befände, die gottlose Gesetze haben, und gezwungen wäre, bei ihnen zu leben …, dann würde er wohl sehr vernünftig handeln, wenn er im Namen des Gesetzes der Wahrheit, das bei den Skythen ja Gesetzwidrigkeit ist, zusammen mit Gleichgesinnten auch entgegen der bei jenen bestehenden Ordnung Vereinigungen bilden würde …“

Von dieser Überzeugung her haben die Widerstandskämpfer gegen das Naziregime und gegen andere totalitäre Regime gehandelt und so dem Recht und der Menschheit als ganzer einen Dienst erwiesen. Für diese Menschen war es unbestreitbar evident, dass geltendes Recht in Wirklichkeit Unrecht war. Aber bei den Entscheidungen eines demokratischen Politikers ist die Frage, was nun dem Gesetz der Wahrheit entspreche, was wahrhaft recht sei und Gesetz werden könne, nicht ebenso evident. Was in Bezug auf die grundlegenden anthropologischen Fragen das Rechte ist und geltendes Recht werden kann, liegt heute keineswegs einfach zutage.

Die Frage, wie man das wahrhaft Rechte erkennen und so der Gerechtigkeit in der Gesetzgebung dienen kann, war nie einfach zu beantworten, und sie ist heute in der Fülle unseres Wissens und unseres Könnens noch sehr viel schwieriger geworden.

Wie erkennt man, was recht ist? In der Geschichte sind Rechtsordnungen fast durchgehend religiös

begründet worden: Vom Blick auf die Gottheit her wird entschieden, was unter Menschen rechtens ist. Im Gegensatz zu anderen großen Religionen hat das Christentum dem Staat und der Gesellschaft nie ein Offenbarungsrecht, nie eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen – auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft, der freilich das Gegründetsein beider Sphären in der schöpferischen Vernunft Gottes voraussetzt.

Die christlichen Theologen haben sich damit einer philosophischen und juristischen Bewegung angeschlossen, die sich seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. gebildet hatte. In der ersten Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts kam es zu einer Begegnung zwischen dem von stoischen Philosophen entwickelten sozialen Naturrecht und verantwortlichen Lehrern des römischen Rechts.

In dieser Berührung ist die abendländische Rechtskultur geboren worden, die für die Rechtskultur der Menschheit von entscheidender Bedeutung war und ist. Von dieser vorchristlichen Verbindung von Recht und Philosophie geht der Weg über das christliche Mittelalter in die Rechtsentfaltung der Aufklärungszeit bis hin zur Erklärung der Menschenrechte und bis zu unserem deutschen Grundgesetz, mit dem sich unser Volk 1949 zu den „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ bekannt hat.

Für die Entwicklung des Rechts und für die Entwicklung der Humanität war es entscheidend, dass sich die christlichen Theologen gegen das vom Götterglauben geforderte religiöse Recht auf die Seite der Philosophie gestellt, Vernunft und Natur in ihrem Zueinander als die für alle gültige Rechtsquelle anerkannt haben. Diesen Entscheid hatte schon Paulus im Brief an die Römer vollzogen, wenn er sagt: „Wenn Heiden, die das Gesetz (die Tora Israels) nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie… sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, dass ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab…“

Hier erscheinen die beiden Grundbegriffe Natur und Gewissen, wobei Gewissen nichts anderes ist als das hörende Herz Salomons, als die der Sprache des Seins geöffnete Vernunft. Wenn damit bis in die Zeit der Aufklärung, der Menschenrechtserklärung nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gestaltung unseres Grundgesetzes die Frage nach den Grundlagen der Gesetzgebung geklärt schien, so hat sich im letzten halben Jahrhundert eine dramatische Veränderung der Situation zugetragen.

Der Gedanke des Naturrechts gilt heute als eine katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raums zu diskutieren nicht lohnen würde, so dass man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen. Ich möchte kurz andeuten, wieso diese Situation entstanden ist.

Grundlegend ist zunächst die These, dass zwischen Sein und Sollen ein unüberbrückbarer Graben bestehe. Aus Sein könne kein Sollen folgen, weil es sich da um zwei völlig verschiedene Bereiche handle. Der Grund dafür ist das inzwischen fast allgemein angenommene positivistische Verständnis von Natur und Vernunft. Wenn man die Natur – mit den Worten von H. Kelsen – als „ein Aggregat von als Ursache und Wirkung miteinander verbundenen Seinstatsachen“ ansieht, dann kann aus ihr in der Tat keine irgendwie geartete ethische Weisung hervorgehen.

Ein positivistischer Naturbegriff, der die Natur rein funktional versteht, so wie die Naturwissenschaft sie erklärt, kann keine Brücke zu Ethos und Recht herstellen, sondern wiederum nur funktionale Antworten hervorrufen. Das Gleiche gilt aber auch für die Vernunft in einem positivistischen, weithin als allein wissenschaftlich angesehenen Verständnis.

Was nicht verifizierbar oder falsifizierbar ist, gehört danach nicht in den Bereich der Vernunft im strengen Sinn. Deshalb müssen Ethos und Religion dem Raum des Subjektiven zugewiesen werden und fallen aus dem Bereich der Vernunft im strengen Sinn des Wortes heraus. Wo die alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft gilt – und das ist in unserem öffentlichen Bewusstsein weithin der Fall –, da sind die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht außer Kraft gesetzt. Dies ist eine dramatische Situation, die alle angeht und über die eine öffentliche Diskussion notwendig ist, zu der dringend einzuladen eine wesentliche Absicht dieser Rede ist.

Das positivistische Konzept von Natur und Vernunft, die positivistische Weltsicht als Ganzes ist ein großartiger Teil menschlichen Erkennens und menschlichen Könnens, auf die wir keinesfalls verzichten dürfen. Aber es ist nicht selbst als Ganzes eine dem Menschsein in seiner Weite entsprechende und genügende Kultur. Wo die positivistische Vernunft sich allein als die genügende Kultur ansieht und alle anderen kulturellen Realitäten in den Status der Subkultur verbannt, da verkleinert sie den Menschen, ja sie bedroht seine Menschlichkeit.

Ich sage das gerade im Hinblick auf Europa, in dem weite Kreise versuchen, nur den Positivismus als gemeinsame Kultur und als gemeinsame Grundlage für die Rechtsbildung anzuerkennen, alle übrigen Einsichten und Werte unserer Kultur in den Status einer Subkultur verwiesen und damit Europa gegenüber den anderen Kulturen der Welt in einen Status der Kulturlosigkeit gerückt und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausgefordert werden.

Die sich exklusiv gebende positivistische Vernunft, die über das Funktionieren hinaus nichts wahrnehmen kann, gleicht den Betonbauten ohne Fenster, in denen wir uns Klima und Licht selber geben, beides nicht mehr aus der weiten Welt Gottes beziehen wollen. Und dabei können wir uns doch nicht verbergen, dass wir in dieser selbstgemachten Welt im Stillen doch aus den Vorräten Gottes schöpfen, die wir zu unseren Produkten umgestalten. Die Fenster müssen wieder aufgerissen werden, wir müssen wieder die Weite der Welt, den Himmel und die Erde sehen und all dies recht zu gebrauchen lernen.

Aber wie geht das? Wie finden wir in die Weite, ins Ganze? Wie kann die Vernunft wieder ihre Größe finden, ohne ins Irrationale abzugleiten? Wie kann die Natur wieder in ihrer wahren Tiefe, in ihrem Anspruch und mit ihrer Weisung erscheinen? Ich erinnere an einen Vorgang in der jüngeren politischen Geschichte, in der Hoffnung, nicht allzu sehr missverstanden zu werden und nicht zu viele einseitige Polemiken hervorzurufen. Ich würde sagen, dass das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er-Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet.

Jungen Menschen war bewusst geworden, dass irgendetwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Dass Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern dass die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen. Es ist wohl klar, dass ich hier nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei mache – nichts liegt mir ferner als dies. Wenn in unserem Umgang mit der Wirklichkeit etwas nicht stimmt, dann müssen wir alle ernstlich über das Ganze nachdenken und sind alle auf die Frage nach den Grundlagen unserer Kultur überhaupt verwiesen.

Erlauben Sie mir, bitte, dass ich noch einen Augenblick bei diesem Punkt bleibe. Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor weitgehend ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.

Kehren wir zurück zu den Grundbegriffen Natur und Vernunft, von denen wir ausgegangen waren. Der große Theoretiker des Rechtspositivismus, Kelsen, hat im Alter von 84 Jahren – 1965 – den Dualismus von Sein und Sollen aufgegeben. – Es tröstet mich, dass man mit 84 Jahren offenbar doch noch etwas Vernünftiges denken kann. – Er hatte gesagt, dass Normen nur aus dem Willen kommen können. Die Natur könnte folglich Normen nur enthalten, wenn ein Wille diese Normen in sie hineingelegt hat. Dies wiederum würde einen Schöpfergott voraussetzen, dessen Wille in die Natur mit eingegangen ist. „Über die Wahrheit dieses Glaubens zu diskutieren, ist völlig aussichtslos“, bemerkt er dazu.5 Wirklich? – möchte ich fragen. Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt?

An dieser Stelle müsste uns das kulturelle Erbe Europas zu Hilfe kommen. Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis.

Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben. Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas.

Sie hat im Bewusstsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist.

Dem jungen König Salomon ist in der Stunde seiner Amtsübernahme eine Bitte freigestellt worden. Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt würde? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes Herz – die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen, der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden.

Ich danke Ihnen für Ihre

Aufmerksamkeit!

Vicco von Bülow über seinen Vater

Mit dem Tage der Währungsreform 1949 erhielt jeder Bürger vierzig Mark der neuen Währung. Mein Vater kaufte von dem Geld einen Zauberkasten.
Für Sie?
Nein, für sich. Er kaufte sich einen Zauberkasten und reiste zu mir nach Hamburg, um meine Freundin und mich mit einer magischen Vorstellung zu verblüffen. In meinem Acht-Quadratmeter-Zimmer steigerte sich diese Darbietung dann zwischen guter Absicht und missratenen Effekten zu einem Desaster von schier wahnsinniger Komik. Die vierzig Mark hätten nicht besser angelegt sein können. Und aus der Freundin wurde meine Frau, mit der ich noch immer verheiratet bin. Als mein Vater im Sterben lag, saß ich bei ihm und begann einen Satz mit den Worten: "Ich kann mir nicht vorstellen..." und machte eine Pause. In diese Pause hinein sagte mein Vater: "Du brauchst dir nicht vorstellen, ich kenn dir ja schon." Ich habe ihn sehr geliebt.

Plattenlabels kritisieren GEMA wegen YouTube-Blockade

In die ins Stocken geratenen Verhandlungen zwischen der Verwertungsgesellschaft GEMA und dem Videoportal YouTube haben sich nun die Deutschland-Chefs zweier Plattenlabels eingeschaltet. In einem Gespräch mit Spiegel Online machten Frank Briegmann von Universal Music und Edgar Berger von Sony Music ihrem Ärger Luft. So dürfe man sich laut Briegmann inzwischen die Frage stellen, warum eine Einigung in vielen Musikmärkten möglich sei, nicht aber in Deutschland, dem wichtigsten Markt Europas. So war es YouTube im vergangenen Jahr zum Beispiel gelungen, Verträge mit den entsprechenden Verwertungsgesellschaften Frankreichs zu schließen.

Sony-Chef Berger sieht die GEMA generell als Bremsklotz bei der Entwicklung neuer Geschäftskonzepte: "Deutschland ist im digitalen Musikmarkt ein Entwicklungsland." Ein wesentlicher Grund hierfür sei die Haltung der hiesigen Verwertungsgesellschaft. Ein Teil des GEMA-Aufsichtrates, meint Berger, sei noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen.


YouTube weist in seinen Fehlermeldungen inzwischen explizit auf die GEMA hin. Vergrößern

Die Verhandlungen zwischen GEMA und YouTube ziehen sich seit Jahren hin. Nachdem die Verwendung GEMA-geschützter Werke zum Start des deutschsprachigen YouTube-Angebots 2007 zunächst geduldet wurde, konnten sich die Parteien zwei Jahre später nicht mehr auf ein Vergütungsmodell einigen, sodass es zu ersten Sperrungen kam. Seit Kurzem weist YouTube mit einer Fehlermeldung sogar ausdrücklich darauf hin, wenn Musikvideos wegen einer fehlenden GEMA-Freigabe in Deutschland nicht abrufbar sind. (sha)

Benito Lertxundi


Anton Bruckner - Trauermusik

JSB: Toccata and Fugue for Floppy Drives

Typhon Symphony - Maestoso

Ship_Horn_Symphony.mp3 Listen on Posterous

(Extract from )

Herman van Veen - Fiets

Fiets

Hee, kleine meid, op je kinderfiets
De zon draait steeds met je mee
Hee, kleine meid, op je kinderfiets
De zomer glijdt zacht langs je heen
Met je haar in de wind en de zon op je wangen
Rij je me zomaar voorbij
Fiets

Hee, kleine meid, op je kinderfiets
Je lacht en je zwaait naar een zwaan
En de vijver weerspiegelt je witte jurk
En het riet fluistert je naam
En het zonlicht speelt in de draaiende wielen
Schitterend strooi je met licht
Fiets

Hee, lieve meid, op je kleine fiets
Als een witte stip in het groen
Slingert je blinkende kinderfiets
Zich dwars door het zomer seizoen
En je rijdt maar door en je fiets wordt steeds kleiner
Plotseling ben je weer weg
Fiets, fiets, fiets

Hee, kleine meid, op je kinderfiets
Je lacht en je zwaait naar een eend
En de vijver weerspiegelt je witte jurk
En het riet fluistert je naam
En het zonlicht speelt in de draaiende wielen
Schitterend strooi je met licht
Fiede, fiede, fiede, fiets, fiets, fiets

Hee, lieve meid, op je kleine fiets
Als een witte stip, fiets, in het groen
Slingert je blinkende fietse-fiets
Zich dwars door het zomersei-fiets.

Chopin: Prélude op. 28 Nr. 15

Prélude op.28 Nr.15 in Des-Dur
"Regentropfen-Prélude"

Das 15. Prélude Des-Dur, mit 89 Takten eines der beiden längsten, hebt sich von den anderen durch eine traditionelle Tonsprache sowie die äußerlichst kantable, nocturneartige Melodie ab. Ein besonderes Merkmal, das dieses Stück besonders ausgezeichnet, ist aber die stete monotone Wiederholung des Tons as (bzw. gis), in der Begleitung sogar nahezu durchgehend, womit der Anschein gleichmäßig fallender Tropfen erweckt wird. Diese Tonwiederholungen werden im Thema dadurch rhythmisch variiert, indem sie an jeweils verschiedenen Taktstellen von Akkorden der Grundtonart in der linken Hand unterbrochen werden. Darüber schwebt eine milde diatonische Kantilene, rein und süßlich, ja fast sentimental. Um nicht in dieser Empfindung zu verharren, entwickelt Chopin in der folgenden Periode (ab Takt 9) den Melodieverlauf mit Hilfe von Modulationen (nach Ges-Dur, as-moll, b-moll). Hierdurch wird dieser noch sanglicher und erhält mehr Tiefe, zudem kehrt die Begleitung von der anfänglich durch die Tonwiederholungen verursachten Monotonie ab.

Im 2. langen Teil mit veränderten Vorzeichen, in cis-moll, wird die Note gis monoton von der rechten Hand angeschlagen, nun fast mit grimmiger Besessenheit, wodurch der sentimentale Ausdruck in eine finstere Dramatik verwandelt wird. Der Part der linken Hand schreitet in geheimnisvollen Zweiklängen fort, deren obere Stimme, eine asketisch-herbe Melodie, hierdurch noch stärker wie ein Crescendo zu einem kulminierenden fortissimo, wo die hartnäckigen Wiederholungen – nun auf der Note h – wie Schreckensglocken ertönen, und dies um so mehr, da sie von gewaltigen Akkorden in ungewöhnlicher Folge gestützt werden. Nach der zweiten Kulmination bildet sich aus diesem Effekt die wohl schönste Kantilene im gesamten Zyklus heraus, welche das mit tragischer Hartnäckigkeit wiederholte gis umflicht – musikalisch geht sie von dem oben erwähnten asketischen Zweiklangsmotiv der linken Hand aus. Die abschließende, sehr kurze Reprise des Des-Dur-Themas wird auf die erste Phase begrenzt. Die zweite dagegen wird sozusagen stillschweigend abgebrochen. Statt dessen leiten einige reolut klingende Einzeltöne zur Coda über, wo die monotonen „Tropfen“ (as) eine beruhigende und einschläfernde Wirkung hervorrufen.

pfeil Noten als PDF (SheetMusicArchive.net)

Quellenangaben

(Textauszug aus "Chopin, Sein Leben, sein Werk, seine Zeit", Tadeusz A. Zielinski, ISBN 3-7857-0953-6)

Eg veit i himmerik ei borg

Aus Gol, Hallingdal (Norwegen)

Eg_veit_i_himmerik_ei_borg_-_Andrea_Een.mp3 Listen on Posterous

Arranged, sung and played (Hardanger Fiddle) by Andrea Een (excerpt from "From the Valley"

Eg veit i himmerik ei borg,
ho skin som soli klåre,
der er kje synder eller sorg,
der er kje gråt og tåre.
Der inne bur Guds eigen Son
i herlegdom og æra,
han er mi trøyst og trygge von,
hjå honom eg skal vera.

Eg er ein fattig ferdamann,
må mine vegar fara
herfrå og til mitt fedreland,
Gud, meg på vegen vara!

Eg med mitt blod deg dyrt har løyst,
eg inn til deg vil treda,
og gjeva hjarta mod og trøyst
og venda sorg til gleda.

Er du meg tru og bruka vil
Guds ord og sakramente,
di synd er gløymd, di sorg vert still,
di heimferd glad du vente!

Når verdi all som drivesand
med gull og gleda viker,
då stend eg ved di høgre hand,
ein ven som aldri sviker.

Eg fattig hit til verdi kom
og rann av ringe røter,
fer herifrå med handi tom,
og dødens vald meg møter.

Men visst eg veit ein morgon renn
då dødens natt skal enda.
Min lekam opp or gravi stend
og evig fryd får kjenna.

Så hjelp oss du, vår Herre Krist,
ditt blod for oss har runne:
Din beiske død har sant og visst
oss himmelriket vunne.

Me takkar deg til evig tid,
Gud Fader, alle saman,
for du er oss så mild og blid
i Jesus Kristus! Amen.

 

Bernt Støylen nach einem (welchem?) deutschen Volkslied

Eg_veit_i_himmerik_ei_borg_-_Sissel.mp3 Listen on Posterous

Sissel Kyrkjebø

Bjørnstjerne Bjørnson: "Holder du af mig, holder jeg af dig"


Sissel Kyrkjebø in spectaculo venustissimo (MCMXCI coram publico ignavo)

Holder du af mig,
holder jeg af dig
alle mine Levedage;
Sommeren var kort,
Græsset blegner bort,
kommer med vor Leg tilbage.

Hvad du sa’ ifjor,
husker jeg iaar,
sidder som en Fugl i Karmen, –
kakker paa og slaar,
synger lidt og spaar
Lykke under Solevarmen.

Litli-litli-lu,
hører du mig nu,
Gutten bagved Birkeheiden?
Ordene vil gaa,
Mørket falder paa,
kanske kan du vise Veien.

Sjoi-sjoi-, hys,
sang jeg om et Kys? –
Nei, det gjorde jeg vist ikke.
Hørte du det, du?
Kom det ei ihu,
jeg vil lade Afbud skikke.

O, Godnat, Godnat!
Drømmen har mig fat,
den om dine blaae Øine,
og de tause Ord,
som af Krogen for,
o, de vare saa forfløine.

Nu, jeg lukker til,
er der mer, du vil?
Tonerne tilbage trille,
lokker mig og ler,
vilde du mig mer?
Aft’nen er saa varm og stille.

Per Egil Hovland (*1947) composed this kjærlighetsvise (love song) "Holder du af mig" (English translation: "Art thou fond of me, I’ll be fond of thee" or "Have you love for me, yours my love shall be"), Marit's love-song in "En glad gut" (A happy boy)(1860), chapter XI, by Bjørnstjerne Bjørnson (1832-1910), see bartleby.com/320/2/11.html
Another translation of the song, see gutenberg.org/cache/epub/6619/pg6619.html

There are some other musical versions, composed by other composers, for instance:

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Dû bist mîn, ih bin dîn

Dû bist mîn, ih bin dîn:
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist daz sluzzelîn:
dû muost och immer darinne sîn.

Chume, chum, geselle mîn,
ih enbîte harte dîn!
ih enbîte harte dîn,
chume, chum, geselle mîn.

Suozer roservarwer munt,
chum unde mache mich gesunt!
chum unde mache mich gesunt,
suozer roservarwer munt.

Ih wil trûren faren lân,
ûf die heide sul wir gân,
vil liebe gespilen mîn,
dâ seh wir der blumen schîn.

Ih sage dir, ih sage dir,
mîn geselle, chum mit mir!

Suziu minne, râme mîn,
mache mir ein krenzelîn,
daz sol tragen ein stolzer man,
der wol wîben dienen chan.


 

[Anonyme Verfasserin, 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts]

Dieses Gedicht wird des öfteren Walther von der Vogelweide (ca. 1170-1230) zugeschrieben. Es scheint aber sicher, daß es nicht von ihm stammt. Es findet sich als zusammenfassender deutscher Abschluß am Ende eines rhetorisch-gelehrten, ansonsten in lateinischer Sprache geschriebenen Liebesbriefes einer hochgestellten Dame und Nonne an ihren Lehrer, einen Kleriker. Thema des Briefes ist die "amicitia", die Freundschaft. Im darauffolgenden Brief wirbt der Geistliche um die Dame, die ihn aber in einem dritten Brief klar abweist - sie hat das Gedicht offenbar eher platonisch gemeint. Alle drei Briefe stammen aus einer Briefsammlung des Werinher von Tegernsee, die uns in einer um 1200 geschriebenen Handschrift erhalten ist (heute in der Münchner Universitätsbibliothek, Codex lat. 19411)

Reinhard Mey - Mein Apfelbäumchen

Ich weiß gar nicht, wie ich beginnen soll,
so viel Gedanken, und mein Herz ist übervoll,
so viel Gefühle drängen sich zur selben Zeit:
Freude und Demut und Dankbarkeit.

Im Arm der Mutter, die dich schweigend hält,
blinzelst du vorsichtig ins Licht der Welt,
in deinen ersten Morgen, und ich denk':
dies ist mein Kind, welch ein Geschenk!

Wenn alle Hoffnungen verdorr'n,
mit dir beginn' ich ganz von vorn,
und Unerreichbares erreichen, ja ich kann's!
Du bist das Apfelbäumchen, das ich pflanz'!

Sieh dich um, nun bist du ein Teil der Welt,
die sich selbst immerfort in Frage stellt,
wo Menschen ihren Lebensraum zerstör'n,
beharrlich jede Warnung überhör'n.

Ein Ort der Widersprüche, arm und reich,
voll bitt'rer Not und Überfluss zugleich,
ein Ort der Kriege, ein Ort voller Leid,
wo Menschen nichts mehr fehlt, als Menschlichkeit!

Wenn alle Hoffnungen verdorr'n [...]

Du bist ein Licht in ungewisser Zeit,
ein Ausweg aus der Ausweglosigkeit,
wie ein Signal, den Weg weiterzugeh'n,
Herausforderung weiter zu besteh'n.

Wo vieles voller Zweifel, manches zum Verzweifeln ist,
da macht ein Kind, dass du alle Zweifel vergisst.
Es sind in einer Welt, die ziel- und ratlos treibt,
die Kinder doch die einz'ge Hoffnung, die uns bleibt!

Wenn alle Hoffnungen verdorr'n [...]

Marica Bodrožic': Ein Kolibri kam unverwandelt

Ein Kolibri kam unverwandelt

in die Gattung der Träume hinein,

sah sich um, sah die dort vorhandenen

Menschen, malte seine Flügel blau und sagte

zu den Zweibeinigen: ich bin der Himmel.

Die Farbe sprach dafür.

Aber die Leute hatten keine Beweise.

Also schwiegen sie feige um die Schönheit

herum, gaben vor, Diplomatie zu betreiben.

Sie rechneten, betrieben Kalkulation

und teilten am Ende dem Kolibri mit,

man habe beschlossen, Farbe,

das sei Illusion. Der Vogel staunte,

er lernte das Staunen unvermittelt

von den Menschen, flog zu den lila Blüten,

setzte sich hin und packte sein Zauberbuch aus.

Dann blätterte er einige Mal hin und her,

verwandelte sich in einen Schmetterling,

malte seine Flügel blau und sagte

zu den Menschen: ich bin der Himmel.

Die Farbe sprach dafür.

Aber die neuen Kinder hatten keine Träume mehr.

Sie nahmen das sprechende Wunder

zwischen die Finger. Und erst der Staub

rief sie ins Staunen. Der Schmetterling

wurde unterdessen gelb, flog in die Urgegend

der Bilder, ruhte auf den reifenden Zitronen,

wurde ein Kolibri, kam unverwandelt

in die Gattung der Träume hinein,

sah sich um, sah die dort vorhandenen

Menschen, und hatte Geduld.

 

Fuso subito

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Matthias Claudius: Abendlied

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
   
Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor Dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn Du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!
   
So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!

Matthias Claudius, 1740-1815

Classic_Meets_Cuba.mp3 Listen on Posterous

Johann Abraham Peter Schulz (1747-1800) (Lieder im Volkston,bey dem Claviere zu singen, 1790), hier mit kubanischem Hintergrund musiziert von Klazz Brothers and Cuba Percussion; Münchner Rundfunkorchester, Roger Epple

Interview mit Hamid Dabashi - ''Die Idee der Demokratie wird jetzt von anderen neu definiert''

Demonstranten in Kairo verlangen im Februar 2011 den Regimewechsel; Foto: AP

24.05.2011
Interview mit Hamid Dabashi
''Die Idee der Demokratie wird jetzt von anderen neu definiert''

Nach Ansicht des amerikanisch-iranischen Intellektuellen Hamid Dabashi gehen die USA und Europa, aber auch der Iran und seine Verbündeten als Verlierer aus der geopolitischen Neuordnung hervor, die die arabischen Revolutionen ausgelöst haben. Miriam Shabafrouz sprach mit ihm in London.

Von welchen politischen Kräften gehen Gefahren für die demokratischen Bewegungen in den arabischen Ländern aus?

Hamid Dabashi: Die größte Gefahr geht von den Kräften aus, die durch die demokratischen Aufstände an Einfluss verlieren werden. Das sind die Vereinigten Staaten, die Europäische Union, vor allem die NATO, Israel und mittelalterliche arabische Potentaten wie Saudi-Arabien. Doch auch die Islamische Republik Iran, die auf den ersten Blick ein Gegner der USA und ihrer regionalen und europäischen Alliierten zu sein scheint, gehört zu den Verlierern. Letztendlich ist sie Teil desselben politischen Vokabulars, derselben Geopolitik. Die Islamische Republik hat in der Region durch die imperialistische Abenteuer der USA und ihrer Verbündeten zunehmend an Macht gewonnen. So wird nicht nur Iran als Verlierer der gegenwärtigen Umbrüche eine Bedrohung für die demokratischen Bewegungen darstellen, sondern auch seine drei Verbündeten: die Hamas, Hisbollah und die Mahdi-Armee von Muqtada as-Sadr im Irak. Es ist meiner Meinung nach kein Zufall, dass sich die Hamas unter Einfluss der demokratischen Aufstände der Fatah angenähert hat, und die Fatah versucht, eine authentischere, umfassendere, basisdemokratischere Haltung anzunehmen.

Wogegen richten sich die Aufstände?

Hamid Dabashi; Foto: DW/Jaras
"Nicht nur Iran als Verlierer der geopolitischen Neuordnung wird eine Bedrohung für die demokratischen Bewegungen darstellen, sondern auch seine drei Verbündeten: die Hamas, Hisbollah und die Mahdi-Armee von Muqtada as-Sadr im Irak", sagt Hamid Dabashi.
Dabashi: In einem Essay, den ich vor zwei Monaten für Al Jazeera geschrieben habe, habe ich die Aufstände als verspäteten Widerstand bezeichnet. Es sind alles post-koloniale Gesellschaften, von Marokko bis Syrien, denen eine Art von innerstaatlicher Tyrannei, die nach Ende des europäischen Kolonialismus entstand, gemeinsam ist. Es sind falsche und künstliche postkoloniale Staaten. Die besten Beispiele sind Gaddafi oder Mugabe. Schauen Sie sich diese Tyrannen an, die sich selbst als anti-kolonial darstellen und vierzig Jahre lang ihre Länder ausgebeutet haben ohne den leisesten Anschein von demokratischen Institutionen oder Wandel. In diesen Teilen der Welt revoltieren die Menschen erstens: gegen den Kolonialismus, der diese Bedingungen hervorgebracht hat, zweitens: gegen die innerstaatlichen Tyranneien, die die koloniale Vergangenheit geerbt haben, und drittens: gegen das derzeitige imperialistische Projekt, das den gesamten Globus lenken will. Die Tatsache, dass diese Revolten stattfinden, ist eine Konsequenz des dysfunktionalen globalen Kapitalismus, der systematisch Armut produziert.

Sehen Sie Verbindungen zwischen der Grünen Bewegung in Iran und den Revolten in den arabischen Ländern?

Dabashi: Es interessiert mich nicht, wer wen beeinflusst hat. Im Juli 2009, kurz nach den Präsidentschaftswahlen in Iran, habe ich in einem Interview mit Al Jazeera gesagt: Wäre ich in einer Machtposition in einem Land von Marokko bis Syrien, würde ich die Geschehnisse in Iran sehr aufmerksam verfolgen. Damit meinte ich, dass der demographische Wandel in Iran identisch mit dem demographischen Wandel in der gesamten arabischen Welt ist. Wir sprechen über eine junge Bevölkerung. Sie ist jung aufgrund einer sinkenden Kindersterblichkeit ohne einen entsprechenden Anstieg in der Lebenserwartung. Eine junge Bevölkerung, die keine Zukunft in ihrem Land hat, die genug davon hat, erniedrigt und von der globalen Gesellschaft ausgeschlossen zu werden. Sie wollen nicht auswandern, um dann noch mehr Anfeindungen und Rassismus in Europa und Nordamerika zu erfahren, sie wollen ihre Gesellschaften zurückgewinnen, ihre Kultur, ihre Politik.

Green Movement in Iran; Foto: Mehr
Verspäteter Widerstand: "Es sind alles post-koloniale Gesellschaften, von Marokko bis Syrien, denen eine Art von innerstaatlicher Tyrannei, die nach Ende des europäischen Kolonialismus entstand, gemeinsam ist. Es sind falsche und künstliche postkoloniale Staaten. Die Tatsache, dass diese Revolten stattfinden, ist auch eine Konsequenz des dysfunktionalen globalen Kapitalismus, der systematisch Armut produziert", meint Dabashi.
Demzufolge sind die Ereignisse von 2009 in Iran und die derzeitigen Proteste in der arabischen Welt eher der identische Ausdruck einer ähnlichen sozialen, ökonomischen und politischen Umwelt, als dass das eine das andere beeinflusst. Vor diesem Hintergrund gibt es aber auch keinen Zweifel, dass die Ereignisse von 2009/2010 in Iran an ein globales Publikum gerichtet waren. Junge Araber haben sie gesehen, wie andere junge Menschen auf der Welt auch. Es gibt keinen Zweifel darüber, dass dies eine Inspiration für junge arabische Männer und Frauen war, in ihren Ländern das zu tun, was zuvor die Iraner unternommen hatten. Dennoch würde ich dies nicht als direkten Einfluss sehen, sondern vielmehr als Inspiration.

Was war neu und inspirierend an der Grünen Bewegung, außer den Kommunikationsmitteln?

Dabashi: Als die Präsidentschaftswahlen 2009 in Iran anstanden, dachte ich, dass die Resultate unbedeutend sein würden, da die Geopolitik in der Region so unermesslich wichtig ist. Doch die Grüne Bewegung rückte die Innenpolitik wieder in den Blickpunkt, und stellte damit der regionalen Geopolitik ein Bein. Die Islamische Republik konnte die Straßendemonstrationen der Grünen Bewegung einigermaßen, aber nicht die Grüne Bewegung als Ganzes unterdrücken, denn sie ist tief verwurzelt und basisdemokratisch, und sie wird sich auf die eine oder andere Art immer wieder manifestieren. Für mich sind ihre institutionellen Verankerungen in Arbeitergewerkschaften, Frauenrechts- und Studentenorganisationen relevant.

Welche Auswirkungen hatten die arabischen Aufstände auf Iran – auch im Hinblick auf die Geopolitik der Region?

Anhänger von Hamas und Hisbollah demonstrieren in Beirut 2010; Foto: dpa
"Was allen innerstaatlichen Tyranneien schadet, egal ob sie den USA freundlich gesinnt oder mit ihnen verfeindet sind, ist das Phänomen, das wir zurzeit beobachten: die sich wandelnde DNA der regionalen Geopolitik", sagt Dabashi.
Dabashi: Ich denke, dass diese demokratischen Aufstände auf die Ereignisse in Iran wie ein Katalysator gewirkt haben, insbesondere auf die geopolitische Schwächung der Islamischen Republik, insofern, dass die Islamische Republik zurzeit sowohl Feinde wie Ägypten, Tunesien und Jordanien als auch Alliierte wie Syrien verliert. Sollte Syrien durch die demokratischen Aufstände verloren werden, wird die Verbindung zwischen der Islamischen Republik und der Hisbollah gekappt. Die Verbindung zur Hamas ist bereits wackelig, wegen der Koalition zwischen Hamas und Fatah. Damit bringt auch die Tatsache, dass ihre Feinde – Israel, die USA und Saudi-Arabien – in Schwierigkeiten stecken, der Islamischen Republik keinen Nutzen. Was allen innerstaatlichen Tyranneien schadet, egal ob sie den USA freundlich gesinnt oder mit ihnen verfeindet sind, ist das Phänomen, das wir zurzeit beobachten: die sich wandelnde DNA der regionalen Geopolitik.

Wie können die revolutionären Aufstände ihre Ziele, nämlich Bürgerrechte und Demokratisierung vorantreiben?

Dabashi: Was die Kontinuität und den Erfolg dieser Bewegungen garantieren kann, ist Sorgfalt, Wachsamkeit und die Institutionalisierung der demokratischen Aufstände. Diese revolutionären Aufstände sind meiner Ansicht nach ergebnisoffen, und es ist gut, dass sie ergebnisoffen sind. Es ist gut, dass sie nicht damit beendet sind, dass eine Statue fällt und eine andere Flagge hochgezogen wird. In ihrer ergebnisoffenen Art fordern und produzieren sie basisdemokratische Institutionen, die für mich, wie ich immer wieder betone, definiert werden durch diese drei basisdemokratischen Bewegungen: Arbeiterbewegungen, die Arbeiter im Sinne ihrer Rechte auf Rente, soziale Dienste, Bildung, Gesundheit usw. schützen, indem sie Solidarität zwischen den Arbeitern begründen. Das gleiche gilt für die Rechte von Frauen und Studenten. Die Arbeiter- und Frauenrechte sollten nicht der Frage überlassen werden, ob eine islamistische oder anti-islamistische Ideologie sich etabliert und nach ihrem Gutdünken Arbeitern, Frauen und Studenten erlaubt, freiwillige Vereine zu gründen. Diese freiwilligen Vereinigungen müssen sich selbst bilden und schützen.

Welche Bedeutung hatten etablierte und neue Medien für die Aufstände und wie haben sich die Aufstände umgekehrt auf die Medien ausgewirkt?

Facebook-Stand auf dem Regierungsplatz in Tunis während der Proteste gegen die Regierung im Januar; Foto: dpa
"In demokratischen Gesellschaften müssten die Funktionsweise des Staatsapparats eigentlich transparent und das Leben des Bürgers privat sein. Daraus ist aber das genaue Gegenteil geworden: Das Leben des Bürgers ist Gegenstand von allen möglichen Formen Foucaultscher und nicht-Foucaultscher Überwachungen und der Staat handelt verdeckt", sagt Dabashi.
Dabashi: Zum Glück sind die etablierten Massenmedien – Presse, TV usw. – nicht länger alleinverantwortlich für die Schilderung der Ereignisse. Sie stecken in großen Problemen. Der Bedeutungsgewinn neuer Medien ging mit diesen demokratischen Aufständen einher, und in Folge dessen haben teilnehmende Beobachter – Studenten, Frauen und Arbeiter in Massendemonstrationen – die Darstellung der Ereignisse selbst übernommen. Bahman Jalali, ein sehr prominenter iranischer Fotograf, der letztes Jahr verstorben ist, und fast alle bekannten Fotos von der Revolution 1979 und dem Iran-Irak-Krieg gemacht hatte, sagte kurz vor seinem Tod, dass er nicht länger wisse, wie er die Revolten fotografieren soll, da das Volk sich nun selbst repräsentiert. Die Kamera selbst, die zitternde Hand des Demonstrierenden, während er oder sie wegrennt, ist eine wesentliche Komponente der Aufstände geworden. Es ist eine wesentliche Kraft geworden, nicht nur im Sinne der Selbstdarstellung, sondern auch im Sinne ihrer Verewigung.

Welche Folgen haben diese neuen Formen der medialen Darstellung für die Demokratie?

Dabashi: Wir sind nicht mehr der Großzügigkeit der New York Times, der BBC usw. ausgeliefert. Dies ist das Zeitalter von WikiLeaks. In demokratischen Gesellschaften müssten die Funktionsweise des Staatsapparats eigentlich transparent und das Leben des Bürgers privat sein. Daraus ist aber das genaue Gegenteil geworden: Das Leben des Bürgers ist Gegenstand von allen möglichen Formen Foucaultscher und nicht-Foucaultscher Überwachungen und der Staat handelt verdeckt. Die Macht von WikiLeaks ist, dass es die Umkehrung bewirkt hat. Jetzt können wir tatsächlich belauschen, wie die US-amerikanische Außenministerin und andere privat darüber sprechen, wie sie in andere Länder einmarschieren könnten. Für mich stellt dies eine fantastische Entwicklung hin zum Guten dar, zur Macht der einfachen Leute. Es zeigt, dass selbst in demokratischen Gesellschaften Demokratie zu einem einfachen Lippenbekenntnis verkommen ist.

Wie haben diese Entwicklungen das Bild des "Arabers", "Moslems" oder "Iraners" verändert?

Dabashi: Meiner Ansicht nach haben die demokratischen Aufstände in der arabischen und muslimischen Welt, aufgrund ihrer tatsächlichen demokratischen Natur, gezeigt, dass die Bezeichnungen "arabische" und "islamische Welt" obsolet sind. Wir benutzen diese Begriffe irrtümlicherweise. Jetzt erleben wir die Bedeutung der Demokratie neu, wir definieren ihre Idee neu und zeigen dies der Welt. Europäer und Nordamerikaner, die sich einmischen und versuchen, dies zu interpretieren, zu überinterpretieren oder zu manipulieren, sollten besser innehalten und erkennen, dass ein anderes Volk nun dabei ist, die Idee der Demokratie neu zu definieren.

Interview: Miriam Shabafrouz

Übersetzung aus dem Englischen: Miriam Shabafrouz

© Qantara.de 2011

Professor Hamid Dabashi (geb. 1951) lehrt Iranistik und Vergleichende Literaturwissenschaften an der Columbia University in New York.