Navid Kermani: Verstehen, wo man nicht versteht

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daran zu erinnern, dass das Wort "Dialog", bezogen auf die Literatur, nicht nur oder, genau genommen, erst zuletzt das Zusammentreffen von Dichtern auf einem Podium meint, sondern zunächst die Lektüre und Reflexion von Texten, im besten Fall außerdem das Gespräch unter der Arbeitslampe. Schriftsteller sind keine Stellvertreter ihrer Kultur.

Im Westöstlichen Diwan haben sich nicht Kulturen getroffen, sondern Individuen. Beydoun, der keinen Zugang fand zu dem Menschen Kertész, hat mit dessen Werken korrespondiert wie nur wenige Leser. Korrespondieren heißt nicht: übereinstimmen. Es heißt, sich auseinanderzusetzen. Und so ist auch das Wort "Dialog" keineswegs das Gegenteil von "Konflikt", sondern der wechselseitigen Sprachlosigkeit. Wo Letztere benannt wird, auch dort beginnt Literatur.

Der Autor Navid Kermani ist Mitorganisator des Programmes "Westöstlicher Diwan". Der "Westöstliche Diwan" vermittelt den Austausch von deutschen und arabischen Schriftstellern. Ein deutscher Schriftsteller trifft einen Kollegen in arabischen Ländern, dieser erwidert den Besuch - das ist der Grundgedanke des Programms "Westöstlicher Diwan". 22 Autoren nahmen bislang teil - Ende August trägt ein im Beck-Verlag erscheinender Band literarische Ergebnisse zusammen: "Zwischen Berlin und Beirut. West-östliche Geschichten", herausgegeben von Joachim Sartorius, mit Beiträgen von Ulrike Draesner, Abdallah Zekri, Ulrich Peltzer, Shariar Mandanipur, Ingo Schulze, Abbas Beydoon u. v. a.

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