Existenz


Existenz. Das Dasein ist kein "Prädikat", keine "Determination" von irgendeinem Dinge. Das wirkliche Ding enthält kein Prädikat mehr als das mögliche. Das Dasein ist nur ein Prädikat des Gedankens von dem Dinge; es bedeutet, dass dieser Gedanke (z. B. eines bestimmten Tieres) ein "Erfahrungsbegriff", d. h. die Vorstellung eines existierenden Dinges ist, dem die in diesem Begriff gedachten Prädikate zukommen. "Nicht: regelmäßige Sechsecke existieren in der Natur, sondern gewissen Dingen in der Natur ... kommen die Prädikate zu, die in einem Sechsecke beisammen gedacht werden", Beweisgrund Gottes 1. Abt. 1. Btr. 1. (VI 21 f.). Das Dasein ist die "absolute Position" eines Dinges. "Der Begriff der Position oder Setzung ist völlig einfach und mit dem vom Sein überhaupt einerlei. Nun kann etwas als bloß beziehungsweise gesetzt, oder besser bloß die Beziehung (respectus logicus) von etwas als einem Merkmal zu einem Dinge gedacht werden, und dann ist das Sein, das ist die Position dieser Beziehung, nichts als der Verbindungsbegriff in einem Urteile. Wird nicht bloß diese Beziehung, sondern die Sache an und für sich selbst betrachtet, so ist dieses Sein soviel als Dasein", ibid. 2. (VI 22 f.). In einem wirklichen Dinge ist nicht mehr gesetzt als in einem möglichen, aber durch die Wirklichkeit ist mehr gesetzt; denn, wenn das Ding existiert (nicht bloß möglich ist), so ist es samt seinen Bestimmungen absolut gesetzt (also nicht bloß die Bestimmungen in Beziehung zum Dinge, hypothetisch), ibid. 3 (VI 24 f.). Die innere Möglichkeit der Dinge setzt ein Dasein voraus. Denn ohne ein solches ist nichts gegeben, "kein Materiale zu irgend etwas Denklichem", und alle Möglichkeit fällt dann weg. Dass eine Möglichkeit sei und doch gar nichts Wirkliches, ist ein Widerspruch. Es ist also schlechterdings unmöglich, dass gar nichts existiere. "Alle Möglichkeit ist in irgend etwas Wirklichem gegeben, entweder in demselben als eine Bestimmung, oder durch dasselbe als eine Folge", ibid. 2. Betr. 2—4 (VI 28 ff.). Es existiert ein schlechthin notwendiges Wesen. Dieses ist Gott (vgl. Ontologisch). Dasein ist keine "über den Begriff eines Dinges zu diesem hinzugesetzte Bestimmung", sondern "bloß die Setzung des Dinges mit allen seinen Bestimmungen, wodurch dieser Begriff also gar nicht erweitert wird", Fortschr. d. Metaph. Auflös. der Aufgabe 1. Transzend. Theolog. (V 3,135). "In dem bloßen Begriffe eines Dinges kann gar kein Charakter seines Daseins angetroffen werden." Dieses Dasein hat nur mit der Frage zu tun, "ob ein solches Ding uns gegeben sei, so dass die Wahrnehmung desselben vor dem Begriffe allenfalls vorhergehen könne". "Wo also Wahrnehmung und deren Fortgang nach empirischen Gesetzen hinreicht, dahin reicht auch unsere Erkenntnis vom Dasein der Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung an, oder gehen wir nicht nach Gesetzen des empirischen Zusammenhanges der Erscheinungen fort, so machen wir uns vergeblich Staat, das Dasein irgendeines Dinges erraten oder erforschen zu wollen". KrV. tr. Anal. 2. B. 2. H. 3. Abs. 4. (I 254 f.—Rc 314 f.).

"Was an sich selbst gesetzt ist, existiert", N 4396. "Alles, was existiert, ist durchgängig determiniert; aber diese durchgängige Determination macht nicht den Begriff der Existenz aus, sondern dass ein Ding absolut und nicht bloß in Verhältnis auf seinen Begriff gesetzt ist." "Ich erkenne die Existenz durch Erfahrung; aber nicht die durchgängige Determination: dies geschieht durch Vernunft", N 5710. "Die Existenz kann kein Prädikat sein, denn sonst würde ein Ding als existierend nur durch ein Urteil und vermittelst des Verstandes erkannt werden. So aber erkennen wir das Dasein der Dinge durch Empfindung", N 3761. Das Dasein kann aus Begriffen nicht objektiv bewiesen werden, N 5255. "Existenz ist nicht Bestimmung des Dinges, sondern des Verstandes durch das Objekt", N 5716. "Das Dasein kann zwar ein logisches, aber niemals ein reales Prädikat eines Dinges sein", N 4017. Dass etwas "existiere", "kann nur vermittelst der Erfahrung erkannt werden, und von dem, was nicht Gegenstand der Erfahrung ist, nur, sofern es nach der Analogie der Erfahrung vorgestellt wird, gedacht werden", N 6413; vgl. 5231. 5772. Vgl. Sein, Wirklichkeit, Idealismus.



Quelle: Rudolf Eisler: Kant-Lexikon

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