Marica Bodrožić, Heimat in der deutschen Sprache
clipped from www.wdr5.de clipped from de.wikipedia.org Marica Bodrožić (* 1973 in Svib, Kroatien) clipped from www.wdr5.de Ihre Sprache betört Leser und Kritiker gleichermaßen Die aus Dalmatien stammende Autorin Marica Bodrozic kam als zehnjähriges Mädchen zu ihren Eltern nach Deutschland. Die erste Zeit sprach sie kein Wort, doch dann entdeckte sie für sich den Zauber deutscher Worte und Sätze. Diese Sprache wird für sie zum Mittel, um den Verlust ihrer Heimat und das fremde Neue zu verarbeiten. Nach längeren Aufenthalten in Paris und Zürich lebt die 34jährige heute in Berlin. Dort gibt sie Kurse im literarischen Schreiben für Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien und freut sich, wenn sie anfänglich gelangweilte kleine Literaturschüler für die Sprache begeistern kann. clipped from www.literarischer-maerz.de * Ein Kolibri kam unverwandelt. Gedichte. Otto Müller Verlag, Salzburg 2007 |
Born in Croatia in 1973, Marica Bodrozic later moved to Germany and studied cultural anthropology, psychoanalisis and Slavic studies in Frankfurt/Main. Her literary debut "Tito ist tot" was awarded the Heimito-von-Doderer-Prize 2002. Nowadays she lives and works as an author in Berlin.Siehe auch Marica Bodrožić - Eine Reise durch mein Kroatien.
Suhrkamp Verlag
EIN KOLIBRI KAM UNVERWANDELT
in die Gattung der Träume hinein,
sah sich um, sah die dort vorhandenen
Menschen, malte seine Flügel blau und sagte
zu den Zweibeinigen: ich bin der Himmel.
Die Farbe sprach dafür.
Aber die Leute hatten keine Beweise.
Also schwiegen sie feige um die Schönheit
herum, gaben vor, Diplomatie zu betreiben.
Sie rechneten, betrieben Kalkulation
und teilten am Ende dem Kolibri mit,
man habe beschlossen, Farbe,
das sei Illusion. Der Vogel staunte,
er lernte das Staunen unvermittelt
von den Menschen, flog zu den lila Blüten,
setzte sich hin und packte sein Zauberbuch aus.
Dann blätterte er einige Mal hin und her,
verwandelte sich in einen Schmetterling,
malte seine Flügel blau und sagte
zu den Menschen: ich bin der Himmel.
Die Farbe sprach dafür.
Aber die neuen Kinder hatten keine Träume mehr.
Sie nahmen das sprechende Wunder
zwischen die Finger. Und erst der Staub
rief sie ins Staunen. Der Schmetterling
wurde unterdessen gelb, flog in die Urgegend
der Bilder, ruhte auf den reifenden Zitronen,
wurde ein Kolibri, kam unverwandelt
in die Gattung der Träume hinein,
sah sich um, sah die dort vorhandenen
Menschen, und hatte Geduld.
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