Schau, wie die Nacht unsre Schatten verschlingt

Schau, wie die Nacht unsre Schatten verschlingt,
Moritz, mein Bruder, tritt leise.
Schau, wie das Licht in der Ferne ertrinkt.
Charon ruft zur Reise.
Unsere Schwester wird im Boot bei ihm sein.
Moritz, hilf mir, einen würdigen Stein
ihr auf das Lager zu tragen.
Komm, pack mit an, um ihr danach beim Wein
Lebewohl zu sagen.

Ach, Todesvorspiel im düsteren Reich
unter den wispernden Linden.
Schönheit und Hässlichkeit werden sich gleich,
sich im Tod verbinden.
Glück, sonst so dreist wie der Wirbelwind,
meidet die Stätten, die dem Tod eigen sind,
niemand mag hier gerne schaffen.
Feinde bereuen, zerbrechen geschwind
vor der Gruft ihre Waffen.

Armsünderglöckchen im Großglockenklang.
Der Küster nun tritt hier ins Freie.
Alles ist würdig, und frommer Gesang
gibt dem Ort die Weihe.
Blumen zertretend folgt das Trauergeleit.
Am frischen Grabe steht der Sarg schon bereit,
dort an der schattigen Mauer.
Jeder verbeugt sich, nimmt Anteil am Leid,
jeder pflegt seine Trauer.

Hannes Wader

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