Vernunft und Glaube - Huber versus Benedikt

«Huber meint nicht, dass die Vernunft eindeutig auf Gott verweise – wie es Papst Benedikt in seiner Regensburger Vorlesung postulierte. Das Erfahrungswissen tauge nicht für die Erkenntnis Gottes, so Huber: Der Glaube sei eine Einstellung zur Wirklichkeit, die allem Wissen vorausginge:

"Es handelt sich um eine im Vertrauen zu Gott begründete Daseinsgewissheit, der, obwohl sie nicht im Wissen aufgeht, für den Umgang mit allem Wissen eine orientierende Bedeutung zukommt. Es ist ein gravierendes Missverständnis, den Glauben, weil er den Bereich des Wissens überschreitet, für irrational zu erklären oder in einer Kammer des bloßen Fühlens und Meinens einzusperren."
Natürlich ist eine „Daseinsgewissheit“ mehr als „Fühlen und Meinen“ – aber ist diese Daseinsgewissheit letztlich nicht doch zusammengesetzt aus ganz viel verdichtetem „Fühlen und Meinen“? Huber benennt – absichtlich oder nicht – das dünne Eis, auf dem der Glaube steht. Dem Papst ist dieses Eis zu dünn. Benedikt will den Glauben mit der vernunftgeleiteten Erkenntnis stützen: Die menschliche Vernunft verweise auf Gott. Aber das ist nur unter der Voraussetzung richtig, dass die menschliche Vernunft ein Spiegelbild der göttlichen Vernunft ist. Eine Position, die Huber suspekt ist:
"Je stärker die Christenheit davon überzeugt war, dass ein angemessener Gebrauch der menschlichen Vernunft zu keiner anderen Konsequenz als zur Anerkennung des christlichen Glaubens führen könne, desto massiver neigte sie dazu, Menschen, die sich dieser Konsequenz verweigerten, das Menschsein abzusprechen. Diese Vorstellung steht im Hintergrund der mittelalterlichen Exzesse im Umgang mit Ungläubigen oder Irrgläubigen, also mit Heiden und Häretikern."
Huber ist höflich genug, an dieser Stelle nicht Benedikt zu erwähnen, aber auch der glaubt, dass ein angemessener Gebrauch der menschlichen Vernunft letztlich zur Anerkennung des christlichen Glaubens führen müsse.»

Quelle: christoph-fleischmann.de, Rezension zu:
Wolfgang Huber: Der christliche Glaube. Eine evangelische Orientierung. Gütersloher Verlagshaus 2008. 288 Seiten. EUR 19,95.

WDR 5 Diesseits von Eden - die Welt der Religionen: Sendung vom 31.08.2008

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