Orientalistin Claudia Ott: "Die Liebe ist die Muttersprache des Orients"

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Die Übersetzerin und Orientalistin Claudia Ott: "Nirgends wurde und wird so viel und so schön über die Liebe gedichtet wie im Orient."
Es war mir schon lange ein Anliegen, die Schönheit der im Orient so wichtigen Gedichte einmal in den Mittelpunkt einer Publikation zu stellen, zumal im Bereich der Liebesdichtung, die ja in allen Kulturen eines der Hauptthemen von Dichtung darstellt. Im Orient aber ganz besonders! Man könnte fast sagen: Die Sprache der Liebe ist die Muttersprache des Orients.
Der "Orient" ist für die deutsche Leserschaft noch immer eine Art Projektionsfläche für Sehnsüchte, exotische Phantasien, aber auch bedrohliche Stereotypen und Bilder.
Was die Literatur, speziell die Dichtung, und noch spezieller die Liebesdichtung betrifft: Seit Goethes "Westöstlichem Diwan" blicken deutsche Dichterinnen und Dichter, Leserinnen und Leser beim Thema Liebe in Richtung Orient, und dieser Blick ist auch gerechtfertigt, wie die neue Auswahl "Gold auf Lapislazuli" hoffentlich zeigen wird
Buch-Cover 'Gold auf Lapislazuli' (C.H. Beck)
Buch-Cover 'Tausendundeine Nacht' (C.H. Beck)
Claudia Ott, Dr. phil., studierte Orientalistik in Jerusalem, Tübingen und Berlin sowie arabische Musik in Kairo. Sie hat mehrere Jahre in arabischen Ländern gelebt und arbeitet als Übersetzerin, Musikerin und Dozentin an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Die arabische Sprache kennt mehr als hundert Wörter für Liebe, sagt die Orientalistin Claudia Ott. Wir glauben es gern: Die hundert Liebesgedichte des Orients, die sie in einem schönen Band versammelt, geben eine Ahnung von der Fülle der orientalischen Liebesthematik. Der Perser Hafis fasst das in einen Vierzeiler, den Klabund übersetzt hat: "In welcher Sprache ich auch schriebe, / Persisch und türkisch gilt mir gleich. / Ein Himmel wölbt sich über jedem Reich, / Und Liebe reimt sich überall auf Liebe." Dieser eine Himmel trägt Sterne auf dunkelblauem Grund, also "Gold auf Lapislazuli", wie es der 1024 gestorbene Abdarrahman aus Córdoba formuliert. Die poetische Skala der Anthologie reicht über drei Jahrtausende und über verschiedene Kulturen und Sprachen. Sie führt von Babylon und Ägypten über das islamische Mittelalter in die Neuzeit. Neben Passagen aus dem hebräischen Hohenlied stehen moderne christlich-arabische Texte. Eingeschmuggelt sind einige "krypto-orientalische Halbedelsteine", nämlich Gedichte von Goethe und Heine. Dass die erotischen Pretiosen inzwischen einer neusachlichen Moderne Platz machen, beweist Iman Minal, ein Ägypter vom Jahrgang 1966. Er verbindet die Erotik mit seiner Verehrung für Marx: "Wenn ich vor einem hell erleuchteten Schaufenster stehe, / in dem die Damenunterwäsche blüht, / muss ich immer an Marx denken."

Liebe mal hundert - Belletristik - Feuilleton - FAZ.NET
Klang und Rhythmus

"Hör auf der Flöte Rohr, wie es erzählt
und wie es klagt, vom Trennungsschmerz gequält!
'Seit man mich aus der Heimat Röhricht schnitt,
weint alle Welt bei meinen Tönen mit!'"

Dies ist ein Ausschnitt aus dem "Lied der Rohrflöte", einem Gedicht des persischen Mystikers Rumi aus dem 13. Jahrhundert. Ott legt in ihren eigenen Nachdichtungen großen Wert auf Klang und Rhythmus, sie möchte die Melodie der Urfassung nachempfinden. Auf Deutsch klingt ein Gedicht, es ist eines der bekanntesten arabischen Liebesgedichte aus dem 10. Jahrhundert, so:

"Ach, wärest du süß, auch wenn das Leben mir bitter ist,
Und wenn alle zürnen, ach, wärst du nur zufrieden!
Ach, blühte, was zwischen mir und dir ist! Und das, was zwischen
Mir und der Welt ist, läg in Trümmern hienieden.
Wenn du endlich unserer Verbindung dein Jawort gibst,
Wird alles auf Erden leicht wie Staub, und wird Frieden."

[...]

"Gold auf Lapislazuli" ist eine Metapher [...]. Es kommt aus einem andalusischen Gedicht. Da heißt es zum Schluss, nachdem die beiden Liebenden sich vereinigt haben: "Sterne standen dort am Himmel, Gold auf Lapislazuli".

NDR Kultur - Feuilleton - Neue Bücher- Gold auf Lapislazuli

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